press-schlag
: Die Schuld des Masseurs

Über die Krise beim Tabellenführer Borussia Dortmund und die Vogelfreiheit von Trainer Peter Bosz

Gratulation an Borussia Dortmund! Die Mannschaft hat in der noch jungen Saison schon etwas erreicht, was ihr nicht mehr zu nehmen ist: Tabellenführung und Krise zugleich, solcherlei Extravaganzen schienen bislang einzig und allein dem Rekordmeister Bayern München vorbehalten zu sein.

Insofern hat der spottende Sportdirektor Michael Zorc durchaus recht. Eine Trainerdiskussion beim Tabellenführer Dortmund, bemerkte er nach dem Remis in Frankfurt, käme ja fast einem Adelsschlag gleich.

Seine im Subtext verpackte Botschaft, dass sich eine derartige Debatte am Standort Dortmund verbietet, ist wiederum grundfalsch. Denk- und Sprechverbote sind die auffälligsten Symptome einer ordentlichen Krise. Und sprechen über eine Krise wollte etwa Mittelfeldspieler Nuri Sahin schon gar nicht. Er drohte den Journalisten in der Mixed Zone: „Wenn hier nur einer danach fragt, gehe ich sofort!“

Die Dünnhäutigkeit bei Borussia Dortmund hat viel damit zu tun, dass die alten Wunden, die das Zerwürfnis mit dem widerborstigen, aber erfolgreichen Trainer Thomas Tuchel in der Vorsaison geschlagen hat, bei Weitem nicht verheilt sind. Als zu Beginn dieser Spielzeit das risikoreiche bis vogelwilde Dortmunder Offensivspiel unter dem neuen Coach Peter Bosz zu klaren Erfolgen gegen Köln (5:0), Gladbach (6:1) und Hamburg (3:0) führte, wähnte nicht zuletzt die BVB-Vereinsführung den Verein wieder in himmlische Zeiten zurück wie anno dazumal unter Lieblingstrainer Jürgen Klopp.

Dass die Auftritte der Dortmunder gegen starke Gegner wie Real Madrid, Tottenham Hotspur sowie RB Leipzig und nun sogar gegen das Mittelmaßteam von Eintracht Frankfurt eher einem Himmelfahrtskommando glichen, will die Vereinsführung partout nicht wahrhaben.

Denn eines ist klar: Klappt der Übergang von Tuchel in eine neue Ära unter der Führung des Trainers Bosz nicht, muss in erster Linie die Vereinsführung, die sich mit Tuchel zerstritten hatte, für den Misserfolg haften. Kein Wunder also, dass in Dortmund derzeit die üblichen Mechanismen des Geschäfts nicht greifen. Der Trainer ist der Letzte, der an irgendetwas Schuld hat. Eher noch müssen die Physiotherapeuten ihre Arbeit hinterfragen.

Für Bosz ist das eine komfortable Situation. Er kann wie nach der Partie gegen Frankfurt offen bekennen, dass er auch nicht weiß, was das Team jetzt noch machen könne. Er kann sagen, dass nach seinen zwei Auswechslungen die Mannschaft das Fußballspielen aufgehört habe, das Spiel also gekippt sei, und dennoch als Hauptursache der Niederlage das fehlende Spielglück benennen. Das sind beste Voraussetzungen dafür, dass sich die Krise beim Tabellenführer verfestigt. Johannes Kopp