Irakische Armee schürt Bürgerkrieg

Bis Frühjahr 2006 sollen die irakischen Streitkräfte so weit gerüstet sein, dass erste US-Einheiten abgezogen werden können. Schlecht ausgerüstet und ethnisch einseitig rekrutiert, ist die irakische Armee jedoch eher Teil des irakischen Problems

VON KARIM EL-GAWHARY

„Es ist, als ob man konstant auf einen Ballon einschlägt“, beschreibt ein US-Soldat frustriert seinen Job im Irak. US-Truppen greifen die Hochburgen der Aufständischen mit überwältigender Feuerkraft an, nur um festzustellen, dass diese schon längst weitergezogen sind, charakterisiert er gegenüber der New York Times die letzte Militäroffensive in Tal Afar an der syrischen Grenze. „Die Ratten wussten, dass wir kommen“, sagte ein US-Militärsprecher. Wir werden sie jagen, bis sie keine sichere Fluchtburg mehr finden“, verkündete erneut der irakische Verteidigungsminister.

Und so geschah es: Anfang der Woche wurden doch noch in benachbarten Vierteln und Dörfern 400 Männer zusammengetrieben. Ein maskierter lokaler Informant in irakischer Militäruniform ging durch ihre Reihen, berichtete ein Reporter der Washington Post. Daumen runter bedeutet unschuldig, Daumen rauf heißt, der Mann hat mit den Aufständischen kooperiert. „Die Quelle“, nennen US-Soldaten solche maskierten Informanten. Doch deren Hinweise sind kaum nachprüfbar. „Manchmal sagen sie nur, was wir hören wollen, manchmal geben sie uns wertvolle Informationen.“ Ein anderer US-Soldat, der anonym bleiben möchte, winkt ab. „Wir bekommen selten etwas Brauchbares von ihnen. Ich glaube, sie suchen nur die Leute von einem anderen Stamm aus oder Leute, die ihnen Geld schulden“, sagt er.

So rückt das Land mit jeder Offensive auch dem Bürgerkrieg ein Stückchen näher. Rekrutierte sich die Guerilla in Tal Afar aus unzufriedenen Sunniten, bestand der Großteil der irakischen Truppen, die in Tal Afar nach der Offensive jedes Haus durchsuchten, aus ehemaligen kurdischen Kämpfern. Eine Mischung, die die offizielle Version, dass sich die Lage beruhigen wird, sollten irakische Zivilisten statt Amerikanern erst einmal ihren irakischen Brüder als Soldaten gegenüberstehen, direkt unterläuft. US-Kommandeure in Tal Afar loben offiziell die Leistung der Kurden, aber privat geben sie zu, dass deren harte Vorgehensweise keine Freunde schafft.

Die irakische Armee hat jedoch nicht nur ein Problem mit ihrer ethnischen Zusammensetzung, die den Bürgerkrieg bereits institutionalisierte. Die Moral ist niedrig und die Ausrüstung schlecht. „Wir haben weder die Mannstärke noch die Ressourcen, um wirklich gegen die Aufständischen zu kämpfen“, erklärte unlängst Oberstleutnant Jadgar Hirjan Mahmoud, Kommandeur der 4. irakischen Armee. Seine Einheit habe nicht einmal die Ressourcen, ihre eigenen Deserteure zu verfolgen und zu bestrafen. So tritt regelmäßig nur ein Viertel seiner 600 Männer zum Dienst an. „Die meisten meiner Männer sehe ich nur, wenn sie am Ende ihres Monats den Sold abholen.“ Diese Bestandsaufnahme aus dem Feld lässt an den offiziellen US-Zahlen zweifeln, wonach bereits 80.000 irakische Soldaten einsatzfähig seien, um den Operationen der US-Armee, „ein irakisches Gesicht zu geben“. Ein Grund für die niedrige Motivation von Mahmouds Männern: Seine Soldaten sind ebenfalls ehemalige kurdische Kämpfer, die zuvor im Norden in einer vorwiegend von Kurden bewohnten Region stationiert waren. Jetzt sollen sie im sunnitischen Kernland kämpfen, zu dem sie keine Loyalität verspüren.