die woche in berlin
: Was wird aus den lila ondu-lierten Omis oder jungen Frauen mit Arsch-geweih?

Studentenwohnheime erleben eine Renaissance, das Pandamädchen Meng Meng geht rückwärts, die Staatsoper öffnet vorübergehend, und der Friedrichstadtpalast will keine Nazis als Besucher

Einkommen der Eltern entscheidet

Wohnungsnot zum Semesterstart

Früher, als nun wirklich nicht alles besser war, hatte man als Erstsemester in Berlin aber doch zumindest eine Gewissheit: Die Studentenbude wird erstens bezahlbar und zweitens – je nach persönlicher Vorliebe beziehungsweise Strebsamkeit – entweder in Uni-Nähe oder in Reichweite der coolen Clubs sein, von denen sich damals, also sagen wir vor zehn Jahren, sogar noch einige in Prenzlauer Berg befanden. Es spielte keine Rolle, ob man reiche Eltern zu Hause hatte oder mit dem BaföG-Höchstsatz überleben musste: Das WG-Zimmer mit Stuck und abgezogenen Dielen in Kreuzberg oder Friedrichshain, auf jeden Fall innerhalb des S-Bahn-Rings, war für jeden erschwinglich.

Nun ist Berlin bekanntlich längst nicht mehr billig – und die Daten, die das Studierendenwerk diese Woche bekannt gab, zeigen einmal mehr, wie es mit der Verdrängung weniger solventer Mietergruppen aus der Innenstadt steht. Rund 5.500 Studierende zählt das Studierendenwerk in der ersten Woche dieses Wintersemesters noch auf der Warteliste für einen Wohnheimplatz – das seien doppelt so viele wie im Vorjahr, hieß es. Selbst an den innenstadtfernen Standorten wie an der Goerzallee in Zehlendorf gibt es Wartezeiten von einem Semester. Zudem, teilt das Studierendenwerk mit, blieben die Studenten länger als früher in den Wohnheimen. Man sei nicht mehr nur „Notnagel“ für die ersten Wochen der Vorlesungszeit, bis die perfekte Altbaubude (gerne mit Balkon) in Kreuzberg gefunden ist.

Zur Erinnerung: Vor zehn Jahren waren Studentenwohnheime wirklich nicht angesagt. Wer länger als ein Semester irgendwo in Zehlendorf im Studentenwohnheim rumhing, musste das auf WG-Partys erklären können. Das Schöne an der Studentenstadt Berlin war auch stets, dass man – anders als in London oder Paris – an der Lage des WG-Zimmers nicht gleich ablesen konnte, wie reich der- oder diejenige war (beziehungsweise die Eltern).

Das kann man beklagen; die Frage wird nun sein, wie die diversen mietenpolitischen In­stru­mente des Senats – Milieuschutz, Neubau, Deckelung der Mieterhöhungen bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften – in Zukunft greifen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärte unlängst, prüfen zu wollen, ob das landeseigene Studierendenwerk – trotz Einhaltung des EU-Stabilitätspakts – Kredite für den Bau neuer Studentenwohnheimplätze aufnehmen darf. Mindestens 5.500 BerlinerInnen dürfte das gefallen. Anna Klöpper

Wieder eine Sau durchs Dorf

Friedrichstadtpalast mag keine AfD-Wähler

Man hat’s nicht leicht als Theatermann oder -frau: Egal ob man Boulevard macht, den Faust oder Tanzshows – heutzutage soll alles immer irgendwie politisch sein, ein Kommentar zur zerstörerischen Kraft des Spätkapitalismus, zum Rechtsruck oder wenigstens zur Flüchtlingssituation. Man hat’s andererseits auch wieder leicht, denn wenn man irgendwas mit „AfD“ sagt, kriegt man auf jeden Fall viel Presse.

So hat sich Bernd Schmidt, der Intendant des Friedrichstadt-Palasts, im Balanceakt zwischen politischem Engagement und Aufmerksamkeitsheischerei versucht. Und ist abgestürzt. Wie am Mittwoch bekannt wurde, hat Schmidt in einem Brief an seine Mitarbeiter verkündet, keine AfD-Wähler unter seinen Besuchern haben zu wollen, auch wenn er dann auf „20 oder 25 Prozent unserer potenziellen Kunden im Osten“ verzichten müsse. Schmidt wörtlich: „Ich will all deren Geld nicht.“

Das klingt erst mal ehrenwert. Immerhin würde sich die Showbude angesichts ihrer Klientel aus (gerne sächsischen) Rentnern sehenden Auges ins eigene Fleisch schneiden. Denn man darf wohl bezweifeln – und das wird Schmidt auch nicht tun (oder doch?) –, dass aufgrund dieser Aktion künftig das linksliberale Bildungsbürgertum dem Palast die Bude einrennt.

Die Reaktion der Rechten kam prompt: Beleidigt riet der Berliner AfD-Chef seinen Anhängern, das Theater künftig zu meiden; er stellte sogar die staatliche Förderung für das Haus infrage. So weit wird es nicht kommen, schließlich sind die Mehrheitsverhältnisse in Berlin Gott sei Dank andere als in Sachsen.

Dennoch muss die Frage erlaubt sein: Wie stellt Bernd Schmidt sich das vor? Stellt er künftig neben die Kartenabreißer einen Gesinnungspolizisten, der jeden Besucher auf Herz und Meinung prüft? Werden „Glatzen“ nicht mehr eingelassen oder Männer in schlechten Anzügen? Was ist mit lila ondulierten Omis oder jungen Frauen mit Arschgeweih?

Vielleicht sollte Herr Schmidt die Sache anders herum angehen: Wie wäre es mit einer Revue-Nummer, in der die Girls mit den langen Beinen einen Nazi in die Tonne treten?

Susanne Memarnia

Wie Pawlowsche Pandas

Meng Meng im Rückwärtsgang

Knut, Bao Bao, der goldene Berlinale-Bär – Berlin hat einfach kein Glück mit seinen Wappentieren. Dauernd sterben sie weg oder sehen zumindest extrem räudig aus. Nach jahrelangen mühsamen Verhandlungen sind in diesem Juni nun endlich zwei neue Große Pandas in den Zoo gezogen, und dann das: Bei Meng Meng scheint der Vorwärtsgang beschädigt. Die Dame bewegt sich bevorzugt gar nicht, und wenn doch, dann falsch herum. Rückwärts rumpelt sie durch ihr Gehege bis sie an eine Wand stößt. Ein eher unerwartetes Verhalten, das sich auch die zu Rate gezogenen Wissenschaftler nicht erklären können.

Dafür aber reagieren immerhin die Menschen völlig berechenbar. Wie Pawlowsche Pandas gaben die üblichen Verdächtigen von Deutschem Tierschutzbund und PETA in Berichten Anfang der Woche wieder zu Protokoll: Die seltsame Marotte liege ganz gewiss daran, dass das Bärchen nicht artgerecht gehalten werde, ach was, dass gleich jedwede Pandahaltung zu verdammen sei.

Nun spricht für diese These allerdings erst mal nichts. Meng Meng kommt aus dem chinesischen Pandazuchtprojekt und wird gemäß dort erlangter Kenntnisse gehalten. Unter diesen Bedingungen lebten schon ihre Eltern und Geschwister ohne jede Auffälligkeit und fühlten sich offenbar bärenwohl. Dabei haben sie sich so erfolgreich vermehrt, dass die einstmals unmittelbar vor dem Aussterben stehende Art sogar um eine Bedrohungskategorie herabgestuft werden konnte. Die Möglichkeit, dass einzelne Individuen sich auch mal abweichend verhalten und man zunächst die Gründe ermitteln sollte, scheint den Tierschützern nicht in den Sinn zu kommen.

Für den Zoo ist das Ganze eher unangenehm, könnte sich aber noch als Win-Win-Situation erweisen: Nach dem Abflauen der ersten Besucherscharen könnten nun Neugierige nachströmen, die einen Bär mal rückwärts sehen wollen und so weiteres Geld in die Zookasse spülen – mit dem dann hoffentlich Artenschutzprojekte gefördert werden. Und wer weiß: Vielleicht legt Meng Meng ja eines Tages doch noch einen anderen Gang ein. Heiko Werning

Ein bemühtes Event

Staatsoper nach langer Sanierung eröffnet

War das wirklich die Eröffnung der Berliner Staatsoper Unter den Linden am Tag der Deutschen Einheit? Wohl kaum. Das hat weniger damit zu tun, dass das Haus jetzt bis zum 7. Dezember wieder geschlossen wird, um die Bühne für den Spielplan einzurichten und um „Restarbeiten“ durchzuführen. Vielmehr erinnerte der Premierenabend am Dienstag mit Robert Schumanns „Faust Szenen“ an ein bemühtes, aufgesetztes Event, das an Goethes Verse „So sei die Zeit in Fröhlichkeit vertan“ denken ließ.

Sicher, alle Musikkritiker haben der für teure 400 Millionen Euro sanierten Staatsoper ein großes Lob ausgestellt: Die Akustik stimme, die hohe „Nachhallgalerie“ reißt es wohl raus, ebenso die digitale Technik. Der im „SED-Barock“ wiedererstandene Zuschauerraum gefiel dagegen schon weniger. Er sei ein Kompromiss, ein „Preußen-Fake“, so die Meinungen. Womit die alte Diskussion aufs Neue einsetzen wird, ob nicht ein moderner Saal wie etwa der im umgebauten Opernhaus von Lyon doch überzeugender gewesen wäre.

Entscheidend jedoch ist, dass bei der Quasieröffnung der Oper deren Bewährungsprobe noch gar nicht stattfand. Am 3. Oktober wurde fast alles dem Spektakel geopfert. Erst rief Bundespräsident Steinmeier die Premiere zum geschichts- und kulturpolitischen Ereignis der Republik aus. Dann folgte keine Oper, sondern mit den „Faust Szenen“ ein dreieinhalbstündiges Singspiel, inszeniert von Intendant Jürgen Flimm, der neben Dirigent Daniel Barenboim halt auch mit von der Partie sein wollte. Das zog sich dermaßen in die Länge, dass nach der Pause schon einige Plätze leer blieben. Und ob das Bühnenbild von Großmaler Markus Lüpertz passte, fragten sich auch so einige.

Aber Hauptsache, alles war big und schön staatstragend. Wären nach dem Staatsoper-Baudesaster mit seinen Skandalen und explodierenden Kosten nicht etwas mehr Bescheidenheit und Selbstkritik zur Eröffnung angesagt gewesen? Hätte vielleicht ein bedeutsamer, klug gemachter Opernabend nicht mehr ausgesagt über die Qualitäten des Hauses? Mit Sicherheit.

Es geht auch anders: Als vor wenigen Monaten der Pierre-Boulez-Konzertsaal, der nur ein paar Schritte entfernt von der Staatsoper liegt, eröffnet wurde, konnte man das Gefühl haben, dass hier sehr viel mehr stimmt: Das Rund des modernen Saals beeindruckte, auf den in der Höhe schwebenden Emporen saßen die Oberen, nicht in der ersten Reihe. Im Mittelpunkt standen die Musik, die Solisten und das Orchester. So soll es sein. Rolf Lautenschläger