LeserInnenbriefe
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Nicht so’n Schock vorm Frühstück!

betr.: „Für Republik und Partei“, taz vom 26. 9. 17

Oh, nicht schon wieder ein „ouwouwouw“ beim frühmorgendlichen taz-Lesen … noch nicht ganz wach … Opposition im Reichstag … SPD … da liegt doch irgendeine Erinnerung in den Hirnwindungen … neineinnein, das war nicht Opposition … das war die Mehrheit im Reichstag … SPD stärkste Fraktion … Krieg, neineinein …

ich brauch jetzt einen doppelten taz-presso … Reichstag … da ist doch irgendwas bei mir durcheinandergeraten … oder vielleicht doch bei euch …

Ah ja! Jetzt wach: Könnt Ihr vielleicht dieses dämliche „Reichstag“ bleiben lassen? Kein Wunder, dass ich nicht mehr weiß, wo rechts und links ist. HANS RAAB, Neustadt an der Weinstraße

Gehetzter Ton – Musik der Misere

betr.: Die allerletzten Reden vor der Wahl

Interessant, dass alle „ParteiführerInnen“ in ihrer letzten großen Ansprache vor der Wahl den gleichen Ton anschlugen – die gleiche gehetzte Redeweise von Sahra Wagenknecht bis Angela Merkel, die Männer eingereiht.

Wollten die Wähler das?

Und während des gesamten Wahlkampfes hat keine Partei auch nur eine Äußerung gewagt, die irgendeine maßgebliche Änderung der Misere der letzten Jahre auch nur als Möglichkeit ansprach, außer den Änderungen zum noch Schlimmeren durch die AfD. BURKHART BRAUNBEHRENS, Ebertsheim

Kosmopoliten können Kommune

betr.: „Die Afd wird bleiben“, taz vom 22. 9. 17

Das Interview mit dem Politologen Wolfgang Merkel hinterließ einen ambivalenten Eindruck. In vielem ist Herrn Merkel zuzustimmen. 
Nicht einverstanden bin ich mit seiner seltsam vereinnahmenden Diagnose, „wir“ linksliberalen Kosmopoliten seien für den Erfolg der Rechtspopulisten mit verantwortlich.

Mir erscheint das Einpressen der sozialpolitischen Diskussion in die Begriffsschablonen Kosmopolitismus und Kommunitarismus als relativ zwanghaft und in der Folge ungenau.

Wenn Herr Merkel vom „Superkosmopolit“ redet, der „in Zürich, New York oder Berlin leben und arbeiten [kann], weil er überall einen Job findet“, schießt er im Grunde ein Eigentor. In seinem Sinn wären die Arbeitsbiografie und das persönliche Lebensmuster der AfD-Frontfrau Weidel hoch kosmopolitisch.

Im Interview wird leider nahezu ausgeblendet, dass der Kosmopolitismus nicht eine Folge der Globalisierung ist, sondern eine politische Philosophie, die in langer Tradition immer wieder die besten Denker und Wissenschaftler umgetrieben hat.

Diese Philosophie war immer zugleich „ideologisch“, da sie bestimmte ethische Haltungen befürwortet und gefordert und andere verworfen hat. Diese Philosophie lässt sich nicht durch schicke Arbeitsorte und Flugtickets definieren oder illustrieren.


Kosmopolitismus und Kommunitarismus schließen sich nicht aus. Die Gemeinderätin einer kleinen Gemeinde am Kaiserstuhl oder der Vorsitzende eines Heimatvereins im Hochschwarzwald können durchaus Kosmopoliten, Weltbürgerin und Weltbürger, sein. Wenn sie sich als solche erleben, können sie gleichzeitig durchaus „bodenständig“ und mit Engagement lokale Interessen vertreten.

Wer als Weltbürgerin und Weltbürger seine Loyalität auf alle Menschen auf diesem Planeten richtet, auf deren Rechte und Lebenschancen, wird weder einer nationalen Hybris noch einem quasireligiösen nationalen Zugehörigkeitswahn verfallen.

Er und sie werden Nationen und Staaten als kulturelle Identifikationsräume und als Verwaltungseinheiten sehen, und eben nur als diese. Man kann eine Heimat haben, man braucht aber kein Vaterland. KLAUS SCHITTICH, Freiburg im Breisgau

Nichtwähler machen die AfD groß

betr.: „Anschwellender Albtraum“, taz vom 25. 9. 17

Meines Erachtens sind nicht viel mehr als 40 Prozent der AfD-Wähler solche, auf welche sich die AfD bindend auch in Zukunft verlassen kann. Wenn vor der nächsten Bundestagswahl Umfragen die AfD nur bei der Hälfte oder weniger sehen, dann könnte es dort ein Hauen und Stechen um die verbliebenen Pöstchen und die interne Ausrichtung geben, der AfD ein ähnliches Schicksal blühen wie einst der FDP. Solch hohe Wahlergebnisse sind für kleine Parteien nicht ungefährlich.

Die politische Unterhaltungsindustrie in unseren Medien hat nun wieder reichlich Stoff, um zu spekulieren, sich zu echauffieren und ihre Kunden zu unterhalten. Das politisch linke Spektrum wird mehr oder weniger künstlich aufgeregt auf die AfD deuten und sie damit vermutlich erst mal eher stärken als schwächen, weil sie die AfD damit im öffentlichen Fokus hält.

Einen erheblichen Teil des Zuwachses hat die AfD den bisherigen Nichtwählern zu verdanken, welche sich allem Anschein nach von den anderen Parteien und deren Verhalten nicht oder nicht mehr angezogen fühlten. Deshalb werden emotionalisierte Angriffe auf die AfD diese Bürger wohl eher nicht überzeugen, sondern vielleicht sogar in ihrer Wahl bestätigen.

Wenn ein Teil meines Umfelds keine Ausnahme war, dann könnte sich der Stimmenzuwachs der Grünen bei dieser Wahl im Vergleich zu den letzten Umfragen mit bewussten Anti-AfD-Stimmen erklären. Sie wären dann einer Art Last-Minute-Antirassismusvotum von Bürgern geschuldet, welche in anderen Punkten die Grünen gar nicht unbedingt unterstützen wollten.

Die Grünen werden noch am ehesten als ideologischer Gegenpol der AfD gesehen. EWALD BECK, Bad Homburg