So wie ein Tiger

Noch-Kanzler Gerhard Schröder begeistert bei seinem zweiten Hamburger Wahlkampfauftritt 7.000 Genossen. Sein Ziel: Die SPD als stärkste Fraktion

Von Marco Carini

Dariusz Michalczewski gibt die Richtung vor: „Der hat was von mir, ist ein Kämpfer aus Überzeugung“, kündigt der „Tiger“ genannte Ex-Boxweltmeister den gut 7.000 Menschen, die sich in Messehalle 4 drängeln, seinen „Freund“ an, den Kanzler. Und verspricht: „Auch Schröder wird heute ein Tiger sein.“

Es ist Punkt acht, als der Einmarsch des Kanzlers erfolgt. Kamerabilder des Wahlkämpfers, der auf dem Weg zu den Mikrophonen minutenlang das Bad in der Menge sucht, werden auf die Videowand geworfen. Die von Fanfarenklängen untermalte Inszenierung ist perfekt, und schon bevor der Kanzler seine Daumen siegesgewiss in die Luft streckt und das erste Mal seine hörbar mitgenommene Stimme erhebt, herrscht Gänsehaut-Atmosphäre im weiten Rund.

Schröder zieht alle Register. Seine kraftstrotzende Körperspannung verrät, dass es hier einer noch mal wissen will. Er will beschwören, begeistern, mitreißen. Jeden Teil seiner von Spannungsbögen dominierten Rede schließt er mit einer kurzen, klaren Botschaft: „Das endet nicht gut!“ oder „das gehört verteidigt!“ Das Publikum dankt es „seinem Gerd“ mit Standing Ovations.

Der politische Gegner bleibt meist unbenannt, so als lohne es sich nicht wirklich, sich die Namen Merkel und Merz zu merken. Schröder redet von den „anderen“, wenn er die CDU meint, vom „Professor aus Heidelberg“, wenn er Kirchhof aufs Korn nimmt. Die mit Süffisanz gepaarte Arroganz ist wohlkalkuliert. „Der eine kann es, aber er will es nicht. Der andere will unbedingt, aber er kann es nicht“, karikiert er die neue finanzpolitische Doppelspitze der Union. Das kommt an bei den Genossen.

Immer wieder spricht Schröder „den anderen“ die Fähigkeit ab, das Land zu regieren. Bemüht gebetsmühlenartig den Begriff „Solidarität“, wenn er betont, Bildung oder das Recht auf gute Gesundheitsversorgung dürfe „niemals, wirklich niemals vom Geldbeutel“ der Betroffenen abhängen. Das werde er „mit Zähnen und Klauen verteidigen.“

Der Funke springt über, als Schröder erklärt, er sei allen Umfragen zum Trotz „optimistisch“, dass die SPD stärkste Fraktion werde. Weil er eben „Vertrauen in die demokratische Reife des deutschen Volkes“ habe. Und weil man ihm abnimmt, dass er tatsächlich glaubt, was er sagt, breitet sich unter den Anwesenheit am Ende Siegesgewissheit aus. Eine Siegesgewissheit, die sich die Sozis selbst wohl gar nicht mehr zugetraut hätten.