Breitbeinig aufgestellt

Stadtmagazin auf Soli-Party-Basis: Hamburger Autoren schaffen sich ihre vierteljährliche Gegenöffentlichkeit

Ronald Schill, Ole von Beust, Birgit Schnieber-Jastram, Udo Nagel – trotz personifiziertem Rechtspopulismus, sozialem Kälteschock und neupolizeilichem Hardcore schaffen es die Berichterstatter in der Medienmetropole Hamburg nicht, die Themen so in den Griff zu bekommen, als dass sie damit Leser binden könnten. Das ehemals kritische, bisweilen linke Stadtmagazin Szene-Hamburg ging dazu über, seine Titelseite als Werbefläche zu verkaufen, die Regionalseiten der taz werden eingespart. Die Hamburger Morgenpost rüttelt noch ab und zu an den Gitterstäben der Käfige, hinter denen die Verantwortlichen Schutz suchen, versickert aber zusehends in den flachen Sexfantasien seiner Mitarbeiter.

Dabei liegen die Themen auf der Straße, wie die neue Ausgabe des „so vierteljährlich wie möglich“ erscheinenden Stadtmagazins zeigt. Diesmal heißt es quietschvergnügt. Das erste Heft, das sich aus dem Unmut einiger Szene-Hamburg-Mitarbeiter herausbildete, nannte sich in Anlehnung an die Omnipotenzträume der Szene-Anzeigenabteilung breitaufgestellt. Später kamen Titel wie heimgesucht und gottgegeben.

quietschvergnügt nun hat sich Peter Tamm zur Brust genommen, den Ex-Springer-Mann und Kriegsverharmloser, der Deutschland gern „ohne Mehrheitsentscheidungen“ geführt sähe und vom Hamburger Senat 30 Millionen Euro für sein Maritim-Museum bekommt. Auch das neue Polizeigesetz und die Umgestaltung des Hamburger Kiezes zur keimfreien Zone wollen die Autoren nicht allein der Springer-Presse überlassen.

Dass Gegenöffentlichkeit zum Hamburger Abendblatt und der Bild-Zeitung, die sich wie alle Hamburger Springer-Publikationen aktuell weigern, Veranstaltungsanzeigen der Partei „Die Linke.PDS“ abzudrucken, dass diese auch ohne Geld herzustellen ist, zeigt das kleine Projekt nun bereits zum achten Mal. Von knapp 20 Leuten, die „im weitesten Sinne in der Medienlandschaft beschäftigt sind, honorarfrei, basischdemokratisch und bislang „ohne Schreien“ erstellt, wie Mitarbeiterin Tina Petersen sagt, liegen 3.500 Exemplare kostenlos in Kneipen und Plattenläden aus. Ihre Existenz wird über einen einzigen Abend finanziert. Den der Releaseparty, die letzte Woche im Buttclub gefeiert wurde. Nach dem Motto „Bier geht immer“ wird das Geld, das die Crew für die Deckung der Produktionskosten braucht, fröhlich zusammengetrunken.

Silke Burmester