Paranoia, keine Panik

Eine neue Studie belegt: Haschisch kann bei Anfälligen den Ausbruch von Psychosen begünstigen. Die Grünen wollen die Droge dennoch legalisieren – weil Kriminalisierung keinem Kiffer nützt

von BARBARA DRIBBUSCH

Es war der zweite Joint und die Wirkung fatal: Bei der 15-jährigen Tochter eines Psychotherapeuten in Berlin löste das Kiffen einen psychotischen Schub aus. Ein mehrmonatiger Aufenthalt in einer Klinik folgte. Nur mithilfe von Medikamenten fand das Mädchen in den Schulalltag zurück. Horrorgeschichten wie diese kursieren immer wieder.

Neue Studien über die Risiken des Kiffens belegen, dass in Einzelfällen was dran ist – dennoch hilft die Kriminalisierung (oder ein Verbot) des Haschischkonsums nicht, wie die Grünen mal wieder in ihrem Wahlprogramm unterstreichen.

Die neueste Studie zum Thema kommt aus Neuseeland. An der dortigen Universität von Otago hat ein internationales Wissenschaftlerteam eine Langzeitstudie über 1.000 Männer und Frauen ausgewertet, die im Alter von 13, 15, 18 und 26 Jahren nach Drogenkonsum und psychischen Erkrankungen befragt wurden. Diese Probanden hatte man gleichzeitig auf eine Variante des so genannten Catechol-O-Methyltransferase-Gens (COMT) getestet. Das COMT-Gen ist mitverantwortlich für die Produktion von Dopamin. Dopamin wiederum ist ein Neutrotransmitter, der beim Ausbruch von Psychosen eine Rolle spielt.

Gesund ist es nicht

Personen, die über eine bestimmte Variante des COM-Gens verfügen, trugen ein erheblich höheres Risiko, an einer Psychose zu erkranken, wenn sie in ihrer Jugend Cannabis konsumiert haben, erklärte der Studienleiter Richie Poulton in einer Pressemitteilung der Universität von Otago. Dies sei vergleichbar mit dem höheren Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, das Menschen haben, die eine Packung Zigaretten am Tag rauchten. Von den Kiffern mit dem kritischen Gen wurden 15 Prozent gemütskrank, unter allen Cannabis-Konsumenten in der Studie lag der Anteil der Erkrankten bei nur acht Prozent, von allen StudienteilnehmerInnen wiederum erlitten nur drei Prozent psychotische Störungen. Etwa jeder Vierte in der Bevölkerung trägt laut Studie die anfällige genetische Verbindung in sich.

Poulton wollte jedoch mit den Ergebnissen der Studie keine Panik machen. Sie erkläre nur, „warum der Cannabis-Gebrauch für einige Konsumenten schwere Folgen hat, aber die meisten unbeschadet lässt“, so der Experte.

Die an der Studie beteiligten Forscher lehnen ein allgemeines Screening auf die genetische Verbindung ab. Der Konsum von Haschisch hätte auch für Personen ohne diese genetische Ausstattung möglicherweise negative Folgen, deshalb wolle man durch ein solches Screening keinen Freibrief ausstellen, erklärte Avshalom Caspi, einer der britischen Mitarbeiter an der Studie.

Auch Biggi Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, betrachtet die Studienergebnisse zum Cannabiskonsum differenziert. Jede Droge habe „neben der von den KonsumentInnen gewünschten Wirkung bei bestimmten Personen unerwünschte und problematische Begleiterscheinungen“, sagt sie auf eine Anfrage der taz. In Deutschland seien jährlich mehr als 100.000 Todesfälle auf Tabakkonsum zurückzuführen. „Cannabis-Missbrauch“ liege hingegen nur bei etwa 0,3 Prozent der Erwachsenen vor.

Bender verwies auf eine Studie der Universität Köln, die etwa drei gleich große Gruppen mit Cannabiskonsumenten, die unter einer Schizophrenie leiden, definierten. Bei einer Gruppe beginnt der Cannabis-Konsum erst nach Ausbruch der Krankheit, eine zweite Gruppe kiffte schon eine ganze Weile, bevor sich die Schizophrenie manifestierte, und nur bei einer dritten Gruppe fielen Cannabiskonsum und Beginn der Krankheit zusammen. Nur bei dieser Gruppe bestünde vermutlich eine Veranlagung zur Erkrankung, und Cannabis löse dann die Schizophrenie aus, erläuterte Bender.

Die auch im Wahlprogramm der Grünen wieder erhobene Forderung nach der Legalisierung von Cannabis in Anlehnung an die Regelungen der Niederlande seien dadurch jedoch „nicht in Frage gestellt“, erklärte Bender. „Ohne eine Strafandrohung ist es leichter, über die Risiken des Konsums aufzuklären.“ Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen komme zu „denselben Schlussfolgerungen“.

In Deutschland wird der Besitz von einigen wenigen Gramm Haschisch nicht strafrechtlich verfolgt, wobei die Höhe der erlaubten Menge allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist. Der Verkauf von Haschisch ist in Deutschland jedoch unter Strafe gestellt. Die Grünen wollen den Verkauf kleinerer Mengen auch in Deutschland „unter Berücksichtigung des Jugendschutzes“ gesetzlich zulassen.