FLUGLINIEN ENTWICKELN SICH ÄHNLICH WIE DIE AUTOINDUSTRIE
: Welt-AG am Horizont

Zwei weitere Fluggesellschaften haben Konkurs angemeldet. Dass nun auch die drittgrößte US-Airline Delta und ihr direkter Konkurrent Northwest, Nummer vier auf dem US-Markt, den Schutz vor den Gläubigern beantragen, war erwartet worden. Schließlich hat sich die gesamte Luftverkehrsbranche jenseits des Atlantiks noch immer nicht von den Folgen der Anschläge vom 11. September erholt. Zudem hat offenbar beiden Firmen das Geld oder die Weitsicht gefehlt, sich finanziell gegen die steigenden Treibstoffpreise abzusichern. Den Schaden haben nun die Mitarbeiter, die bislang zu den besser Verdienenden der Branche gehörten. Und diejenigen, die ihre Jobs behalten, müssen wohl demnächst mit weniger Gehalt auskommen.

Doch der Zwang zur Kostensenkung bei den Fluggesellschaften ist kein reines US-Problem. Auch in Europa werden weitere Firmen Pleite gehen. Aktuell ist die griechische Olympic bedroht, auch die skandinavische SAS und Alitalia siechen vor sich hin. Von den früheren staatlichen Gesellschaften werden nur einige wenige große Firmen überleben. Lufthansa und Air France gehören wohl dazu – und sie kaufen, wie bereits bei der Swiss und der niederländischen KLM geschehen, ihre Konkurrenten auf. Mag das nationale Emblem auf der Heckflosse erhalten bleiben, in einem privatisierten und internationalisierten Markt werden solche Reliquien allenfalls Markenwert besitzen.

Damit folgt die von Haus aus weltumspannende Branche dem Trend, der aus anderen Industrien wie der Automobilbranche bereits bekannt ist. Noch verhindert nationale Gesetzgebung eine mancherorts erträumte Welt-AG unter den Airlines. Doch die Kooperationen der Großen, etwa die Star Alliance, sind Vorboten einer solchen langfristigen Entwicklung. Was daraus folgt, kann ebenfalls in der Automobilindustrie studiert werden. Der Druck auf die Mitarbeiter wird wachsen, und im Rausch der Größe werden Qualitätsfragen oft zweitrangig. Fluglinien und Fahrzeughersteller mögen sich ähnlich entwickeln. Nur: Bisher ist jeder Automobilkonzern, der zur Welt-AG werden wollte, gescheitert. STEPHAN KOSCH