Letzte Ausfahrt nach Pyeongchang

Eistanz Die deutschen Meister Kavita Lorenz und Joti Polizoakis wollen in Oberstdorf bei der Nebelhorntro-phy ihre letzte Olym-pia-Chance nutzen

Mit vollem Einsatz: K. Lorenz und J. Polizoakis Foto: imago

Auf den 2.000 Meter hohen Bergen rund um das bayerische Oberstdorf liegt Schnee. Unten im Ort scheint die Sonne. Die „Nebelhorntrophy“, die hier diese Woche stattfindet, wird in dem beschaulichen Kurort für Urlauber beworben. Das ist ein internationaler Eiskunstlaufwettbewerb, bei dem je sechs Frauen und Männer, fünf Tanzpaare und vier Eiskunstlaufpaare noch einen Startplatz zu den Olympischen Spielen im südkoreanischen Pyeongchang holen können.

Zu den Bewerbern gehören die zweifachen deutschen Meister im Eistanz Kavita Lorenz und Joti Polizoakis, die im Eissportzentrum gerade ihre Bahnen drehen. Unter den konzentrierten, aber durchaus zufriedenen Augen von Bundestrainer Martin Skotnicky üben sie Passagen ihres Kürtanzes. Es ist das erste Training der beiden seit ihrem Langstreckenflug aus den USA am Vortag. Dort trainieren sie seit zwei Jahren in einem internationalen Eistanzzentrum in der Nähe von Detroit mit den besten Paaren der Welt.

Die direkte Qualifikation für Olympia haben sie bei den Weltmeisterschaften mit dem 19. Platz um genau einen Platz verfehlt. Anders als in den anderen Eislaufdisziplinen: Bei den Damen und Herren konnte die deutsche Eislaufunion je einen, im Paarlaufen zwei Startplätze bereits zur WM holen.

In Oberstdorf gelten die 22-jährigen Eistänzer als sichere Anwärter auf einen Olympia-Startplatz. Das Kurzprogramm laufen sie nach lateinamerikanischen Klängen. Ihre Kürmusik ist die Filmmusik „Stolz und Vorurteil“ nach dem Roman der britischen Autorin Jane Austen. Sie ist weniger schwer als der Flamenco, den sie in der vergangenen Saison mit atemberaubendem Tempo, aber auch noch mit einigen Unsicherheiten interpretiert hatten. „Wir erzählen eine Liebesgeschichte“, sagt Joti Polizoakis. „Das liegt uns.“ Mit vollem Körpereinsatz bis hin zur Mimik zeigen sie alle Schattierungen der Annäherung, der Abwehr und schließlich der beginnenden Liebe. Im wirklichen Leben sind Lorenz und Polizoakis, die sich schon seit vielen Jahren kennen und in Oberstdorf gemeinsam die Schulbank gedrückt haben, allerdings kein Paar. „Wir verstehen uns wie Geschwister“, so Joti Polizoakis. Seine Partnerin ergänzt: „Wir wollen uns in Oberstdorf gut präsentieren und zeigen, dass wir uns nach dem Trainerwechsel im Frühjahr verbessert haben.“ Die neue Trainerin heißt Marina Zueva und hat eine Eislaufschule in den USA in der Nähe von Detroit, genau wie ihr erster Eistanztrainer Igor Shpilband.

Dass die Olympischen Spiele, die ihr großes Saisonziel sind, weniger als 100 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernt und damit an einem Ort stattfinden werden, der im Moment zu den unsichersten der Welt gehört, spielt in der Vorbereitung von Lorenz und Polizoakis keine Rolle. „Wir haben keine Angst und wir wollen die Olympischen Spiele genießen, egal wo sie ausgetragen werden“, sagt Kavita Lorenz. Und ihr Partner ergänzt. „Wir vertrauen darauf, dass Deutschland uns nicht in eine gefährliche Lage bringen wird.“ Damit meint er, dass die Teilnahme an den Spielen möglicherweise abgesagt werden könnte, sollte die Lage auf der koreanischen Halbinsel sich weiter zuspitzen. Die beiden Sportler haben bereits gehört, dass Frankreich und Österreich einen Olympiaverzicht erwägen. Doch ihre Runden im Eissportzentrum drehen sie dennoch weiter.

Wie ambitioniert die beiden sind, zeigen ihre Biografien: Mit elf Jahren zog Kavita Lorenz aus ihrer Heimatstadt Berlin gemeinsam mit einem Kindermädchen nach Oberstdorf. „Damals war ich noch Einzelläuferin. Ich wollte bei Michael Huth in Oberstdorf trainieren. Er war damals alles für mich“, erinnert sie sich. Sie wurde bei Huth immerhin deutsche Nachwuchsmeisterin.

Auch Polizoakis, der in Baden-Württemberg als Sohn einer tschechischen und eines griechischen Einwanderers aufgewachsen war, war wegen Michael Huth zum Training nach Oberstdorf gewechselt. Bei Lorenz ging es mit dem Einzellauf nicht mehr so recht voran. Sie wechselte zum Eistanz, doch mit dem ersten Partner klappte es nicht. Lorenz zog 2014 in die USA, zunächst allein, suchte in der international renommierten Eistanzschule einen Partner. Ihr Oberstdorfer Schulfreund Joti Polizoakis lief währenddessen in internationalen Juniorenwettkämpfen als Einzelläufer. Gut ein Jahr später folgte er Lorenz in die USA. Er lief volles Risiko, denn eine Finanzierung gab es erst, als sich Erfolge einstellten. Marina Mai