Chinesen gewähren Galgenfrist

Autos aus China sind Publikumsmagneten auf der IAA, aber noch nicht konkurrenzfähig

FRANKFURT/M. taz ■ Die Chinesen sind da. Das ist auf der 61. Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main kaum zu übersehen: Ihre Messestände sind permanent belagert. Die Weltpresse will dabei sein, wenn das rote China die ersten Modelle zur Eroberung der europäischen und US-amerikanischen Märkte vorstellt. Und die sich bedroht fühlende Konkurrenz auch. Für den Moment ist man erleichtert: Zu deutlich sind die Schwächen der präsentierten Palette. Vieles wirkt improvisiert, an der Qualität hapert es, und auch das Design entspricht kaum dem gehobenen Anspruch.

Aber vor allem die etablierten Massenhersteller bleiben alarmiert. Schließlich wird die Volksrepublik die Bundesrepublik noch in diesem Jahr vom dritten Platz unter den größten Autobaunationen verdrängen. Dabei hat sie gerade erst begonnen, sich dem Exportgeschäft gen Westen zu widmen.

Auf der IAA 2005 ist sie mit drei Unternehmen vertreten: Brillance produziert bislang in Kooperation mit BMW Modelle der 3er- und 5er-Reihe für den chinesischen Markt und zeigt hier eine Limousine mit Namen „Zhonghua“. Jiangling Motors Co. Group (JMCG) baut den –gerade erst beim ADAC-Crashtest gefloppten – Geländewagen „Landwind“. Und die Geely International Cooperation stellt knallbunte Kleinwagen und Pick Ups her. An ihrem Stand wird viel gelacht. Zu lustig sehen die kleinen Flitzer mit ihren grellen Lackierungen aus, die entfernt an einen Opel „Corsa“ oder den VW-„Lupo“ erinnern. Doch während die Europäer und US-Amerikaner grinsen, füllen afrikanische Autoimporteure sowie Händler aus dem Nahen Osten und aus Mittelamerika die Auftragsbücher der Chinesen. Dort fahren die Autos schon seit 2004.

Sehr zugänglich sind die drei Firmen nicht. Auch wer viel fragt, bekommt keine Antworten. Die Preise? Offenbar Verhandlungssache. Wie viele Autos wurden bislang exportiert? Kein Kommentar. Aber ein knallrotes Schweißband mit dem Aufdruck „Geely“ dürfen die neugierigen „Langnasen“ gerne mitnehmen.

Aktuell können die Etablierten der Branche wohl noch einmal aufatmen: Weder der lebensgefährliche „Landwind“ noch der „Zhongua“ von Brillance sind derzeit eine Konkurrenz, obwohl Letzterer an BMW-Qualitätsstandards angelehnt sein soll. Man ist geneigt, auf die Karosserie zu klopfen, um zu überprüfen, ob es sich – wie bei den DDR-Autos – um mit Kunstharz vermischtes Sägemehl handelt.

Doch der Anfang ist gemacht. Und die großen Konzerne aus Europa und den USA waren mit ihren Werken in China die Lehrmeister. Laufend werden die Qualitätsstandards verbessert. Branchenexperten glauben, dass China ab 2015 pro Jahr rund 10 Millionen extrem preiswerte und technisch hochwertige Autos exportieren wird. Doppelt so viele Fahrzeuge wie Exportweltmeister Deutschland heute.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT