Was es bedeutet, im Gemüseladen mehrsprachig begrüsst zu werden
: Ein Supermarkt sagt „Herzlich Willkommen“

Foto: privat

Inselstatus Leyla Yenirce

Liebe Insel, so stelle ich mir das vor mit dem Koexistieren. Wer nämlich den schicksten Gemüseladen des Reiherstiegs betritt, wird in vielen verschiedenen Sprachen mit einem Herzlich Willkommen begrüßt. Auf einem Schild über den Birnen stehen auf Kurdisch, Türkisch, Englisch und auch Bulgarisch jene zwei Wörter.

Vielleicht auch nur eine nette Verkaufsstrategie, aber an erster Stelle ein Zeichen dafür, dass die Ladenbetreiber*innen von Kaya erkannt haben, dass wir in einer diversen Nachbarschaft leben, in der unterschiedlichste Sprachen gesprochen werden. Auch wenn ich hiermit ganz unauffällig Schleichwerbung mache, hat der Anblick mir und vielleicht auch anderen Anwohner*innen Freude bereitet.

Denn liebe Insel, wir wissen, dass es nicht immer so fröhlich zugeht unter den vielen verschiedenen Menschen im Viertel und ihren dazugehörigen Gesinnungen. Dass beispielsweise nach dem Türkei-Referendum Freudentänze von Erdoğan-Fans auf dem Stübenplatz gefeiert wurden, hinterlässt seine Spuren in der kurdischen Community.

Nette Schilder werden die Bilder dieser Schreckensnacht zwar nicht aus den Köpfen kriegen, aber immerhin hinterlassen sie für einen Moment ein gutes Gefühl, denn ihre Aussage ist: Wir können auch miteinander. Wir müssen sogar nicht nur in der einen Sprache, wir können in ganz vielen Sprachen kommunizieren und das ist doch etwas, das man ruhig öfters hochhalten kann.

Das Koexistieren zeichnet sich aber nicht nur an dem Rojbaş und Merhaber ab, die zusammen oder eher nebeneinander auf einer Tafel stehen, sondern auch an den Lebensmitteln. Die eignen sich die Supermärkte nämlich gegenseitig an – ob türkisch, bulgarisch oder deutsch. Denn während im Edeka mittlerweile ein eigenes Regal mit türkischen Produkten steht, findet sich im Kaya neben Sucuk und Paprikapaste auch Biomilch im Tetrapack und vegane Wurst.

Die Laden-Betreiber*innen passen sich ihren Kund*innen halt an. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, es sei denn, die eingelegte Paprika kostet wie im Edeka dreimal so viel wie bei Mehmet.

Lebensmittel hin oder her, am wichtigsten ist ja ohnehin, dass die Anwohner*innen bekommen, was sie brauchen und die Ladenbetreiber*innen zufrieden sind mit ihren Geschäften. Und zufrieden sind sie dann, wenn viele Kund*innen bei ihnen einkaufen und die Kund*innen freuen sich wiederum, wenn sie herzlich begrüßt werden. Deswegen Chapeau Kaya! Hoffentlich bleibt das Schild noch eine Weile stehen. Im besten Falle kommen noch ein paar Sprachen dazu.

Leyla Yenirce ist Kulturwissenschaftlerin und schreibt wöchentlich aus Wilhelmsburg über Spießer*innen, Linke, Gentrifizierer*innen und den urbanen Wahnsinn in der Hamburger Peripherie.