SPD ist Krise sicher

Ansonsten fehlt der Partei fast alles: ein überzeugendes Programm, attraktives Personal sowie ausreichend Zeit

BERLIN taz ■ In Gerhard Schröders beeindruckender Selbsthypnose und der Umfragehysterie der letzten Tage geht eine wichtige, wenn auch traurige Botschaft für die SPD verloren: Die Partei steckt in einer der tiefsten Krisen ihrer Geschichte. Vom Ausgang der Bundestagswahl hängt nur noch die Ausgangsposition für die Aufarbeitung der Misere ab. Als sicher hingegen gilt, dass die SPD für den Übergang in eine neue Ära weder ein politisches Programm noch ausreichend attraktives Personal und schon gar keine Zeit hat. Aber bereits auf ihrem nächsten Parteitag im November wird sie die ersten offenen Fragen beantworten müssen.

Rettet sich die Sozialdemokratie in eine große Koalition unter Führung von Angela Merkel, könnte sie verführt sein, die schmerzhafte Erkenntnis der Schröder-Jahre nicht allzu sehr an sich heranzulassen: Dass dem Reformkurs des Kanzlers die Legitimation in den eigenen Reihen fehlte und die SPD darüber das Selbstverständnis verloren hat, was an ihr eigentlich noch sozialdemokratisch ist. Sollte die Partei allerdings in die Opposition gehen, wird der Kampf um die Zukunft der SPD umso erbitterter geführt werden. Die Voraussetzungen dafür sind allerdings schlechter als 1982, als die Partei das letzte Mal die Macht im Bund verlor. Links neben ihr im Parlament wird eine neue Partei sitzen, und die Grünen in der Opposition werden sie daran erinnern, dass die Öko- und Friedensbewegung der 80er-Jahre der SPD eine ganze politische Generation genommen hat: die 40- bis 55-Jährigen.

Deshalb sind es nur sechs, sieben Namen, die immer wieder genannt werden, wenn die SPD über die Nach-Schröder-Ära diskutiert. Als sicher gilt lediglich, dass Parteichef Franz Müntefering für mindestens zwei weitere Jahre im Amt bleibt, um den Übergang zu organisieren. Ob er das auch an der Spitze der Bundestagsfraktion tut, hat er selbst offen gelassen. Alles, was nach Müntefering (65) kommt, sind entweder Übriggebliebene der Schröder-Zeit mit Ambitionen – wie etwa Peer Steinbrück (58), Exministerpräsident von NRW, der als Vizekanzler einer Großen Koalition gehandelt wird – oder hoffnungsvolle Nachwuchskräfte, die manchmal schon über 50 sind wie Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (51). Neben ihm gelten Andrea Nahles (35), Sigmar Gabriel (46), Olaf Scholz (47), Klaus Wowereit (52) sowie, schon abgeschwächt, Hubertus Heil (32), Niels Annen (32) und Jens Bullerjahn (43) als kommende Leute der Bundespartei. Wer hier was wann wird – auf diese Fragen weiß im Moment wohl noch nicht mal Müntefering eine Antwort. JENS KÖNIG