PRESS-SCHLAG Warum sich der FC Barcelona auf die Seite der katalanischen Abspaltungsfreunde schlägt: Das ganze Stadion ist ein Schrei
Tot el camp es un clam“, beginnt die erste Strophe der Vereinshymne des FC Barcelona: „Das ganze Stadion ist ein Schrei.“ Nun ist sogar die ganze Stadt ein Schrei, seit am Mittwoch die spanische Militärpolizei bei Razzien insgesamt 14 Personen festnahm, darunter hochrangige Vertreter der Regionalregierung. Sie sitzen überwiegend weiter in Haft, jede Nacht um zehn Uhr schlagen die Menschen zum Protest auf ihren Balkonen mit Kochlöffeln gegen Pfannen, und neben dem katalanischen Wirtschaftsministerium, wo die Guardia Civil fast 24 Stunden ermittelte, hängt über den obersten Stockwerken ein riesiges Plakat: „Welcome to the Catalan Republic“.
Dasselbe Transparent zierte in der Woche zuvor beim Champions-League-Spiel gegen Juventus Turin noch die Tribünen des Camp Nou – wie auch ein weiteres von ähnlicher Größe: „SOS Democràcia“. Vom Rest Europas weitgehend unverstanden, fühlen sich viele Katalanen durch das Verbot eines von der Regionalregierung geplanten Referendums am 1. Oktober und das polizeiliche Vorgehen gegen ihre Institutionen in ihrer Freiheit und Würde verletzt. Nur rund die Hälfte ist für die Unabhängigkeit („Independència“), aber die überwiegende Mehrheit möchte darüber selbstbestimmt entscheiden („Dret a decidir“). Barça unterstützt diese Position seit Langem.
Am Mittwoch, dem Tag der Polizeiaktionen, veröffentlichte der Verein eine Stellungnahme. „Der FC Barcelona, treu seiner historischen Verpflichtung zur Verteidigung des Landes, der Demokratie, der Meinungsfreiheit und des Rechts auf Selbstbestimmung, verurteilt jede Handlung, die das volle Ausüben dieser Rechte verhindert.“ Das Land, natürlich, ist Katalonien, „meine arme, schmutzige, traurige, unglückliche Heimat“, wie der Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán während der Unterdrückung der Franco-Diktatur im selben Artikel formulierte, in dem er seine berühmte Definition von Barça als „unbewaffnetem Heer Kataloniens“ prägte.
Damals war das Camp Nou einer der wenigen Orte, an denen die Leute unbehelligt ihre Sprache sprechen konnten. Wer Barças Loyalität zu dieser Sache bezweifelt, unterschätzt den Stolz der Katalanen – und den Ernst der Lage.
„Tant se val d’on venim“, heißt es in der Klubhymne weiter: „Es ist egal, wo wir herkommen.“ Der vom Schweizer Hans Gamper als Foot-Ball Club Barcelona gegründete und seit Beginn an von Katalanen wie Ausländern bespielte Verein hat sich immer auch als internationalistisch verstanden. Demgegenüber taufte man den zweitgrößten Klub der Stadt Español, weil in ihm nur Spanier – inklusive Katalanen – spielen sollten. Wo die Ultras aber eher „Viva España“ singen, statt wie die Barças nach 17 Minuten und 14 Sekunden jeder Partie die „Independència“ zu fordern, überraschte es niemanden, dass Espanyol zu den jüngsten Vorfällen lieber nur das Statement abgab, politische Vorgänge nicht zu kommentieren.
Wie Barça hat sich auch Kataloniens dritter Erstligist, Aufsteiger Girona, klar positioniert. Just dort, in der Hochburg des Independentismus und der Heimat des katalanischen Präsidenten Puigdemont, gastiert Barça heute zum Derby. Es ist davon auszugehen, dass im Estadi Montilivi ein Schrei zu hören sein wird. Florian Haupt
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