wortwechsel
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Der Countdown beginnt

BUNDESTAG Wie war es, was kommt? LeserInnen streiten über Inszenierung von Wahl und KandidatInnen, die Parteien, die künftigen Koalitionen

Noch schreit in fetten Schriften das Für und Wider von der Wand Foto: Stefan Boness/Ipon

Jamaika ist möglich

betr.: „Das Hochrisikobündnis“, taz vom 15. 9. 17

Klar geht das mit Jamaika, die Frage ist nur, welche Ministerien wir Grüne guten Gewissens Schwarz-Gelb überlassen können. Umwelt und Entwicklungshilfe geht schon mal gar nicht. Soll man weiterhin Schäuble mit seiner Austeritätspolitik Europa zerstören lassen? No-Go! Ernährung und Landwirtschaft für einen CSU-Großbauern? Geht nicht! Verkehr? Darf nicht länger Leuten überlassen werden, die mit ihrer Nachsicht für Verbrennungsmotoren unser Klima und unsere Automobilindustrie gleich mit verbrennen. Sozialministerium? Kann man auch gleich abschaffen, bevor es Schwarz oder Gelb in die Hände fällt. Weiter mit de Maizières unsäglichem Gewurstel in der Innenpolitik? Sicher nicht mit unserem Segen. Justiz und Verbraucherschutz für Parteien, denen der Verbraucherschutz ein Gräuel ist, weil er Unternehmen behindert? Kann nicht sein. Wollen wir in der Gesundheitspolitik die Pharmalobby am Kabinettstisch sitzen haben? Nö. Darf’s ein bisschen Restauration des traditionellen Familienbildes sein? Muss nicht! Oder die weitere Privatisierung unserer Forschungslandschaft dank staatlicher Unterfinanzierung? Kein Kommentar.

Bleibt also nur noch das Außenministerium, das Verteidigungsministerium und das Wirtschaftsministerium (selbstverständlich ohne Energie und ohne Kompetenzen bei Rüstungsexport) zu verteilen. Das ist nicht viel, aber wenn Schwarz-Gelb mitmacht, ist Jamaika möglich.

RALF FRÜHWIRT, Leimen

Rot-Grün war’s

betr.: „Das Hochrisikobündnis“, taz vom 15. 9. 17

Werte taz, beim Aufarbeiten früherer Bündnisse bitte nicht zu vergessen: Hartz IV war eine Ausgeburt der rot-grünen Koalition unter Schröder/Fischer/Göring-Eckardt. Frau Göring-Eckardt mischt unverdrossen weiter mit.

ROLAND BENZ, Frankfurt am Main

Eine Bereicherung

betr.: „Das Parlament ist keine Käsetheke“, taz vom 14. 9. 17

Ich verstehe ja, dass ihr euch ärgert, nicht selbst auf die Idee gekommen zu sein, eine taz-Partei zu gründen. Dennoch finde ich DIE PARTEI eine Bereicherung für unsere Parteienlandschaft. Kluge Ideen und Humor widersprechen sich nicht. Natürlich ist Deutschland noch weit vom britischen Humor entfernt, und wenn man sich Debatten im britischen Parlament ansieht, findet man sich oft in einem Satireprogramm. Wir hier tendieren zum Entweder-oder. Über ernste Dinge wie die Maut oder den Dieselskandal darf am Stammtisch gelacht werden, aber nicht in Parlamentsdebatten. Nun, die PARTEI ist vielleicht etwas zu Satire für eine Partei, aber irgendwo muss man ja anfangen. Und über das Absurde sind schon oft viele gute Ideen und Umsetzungen entstanden. Auch der Berliner Flughafen ist noch nicht fertig! CLAUDIA RIEG-APPLESON, München

Abspülwasser

betr.: „Der brillante Performer“, taz vom 19. 9. 17

Christian Lindner muss man nicht kennen, aber man sollte ihn rechtzeitig vor der Wahl er-kennen. Karl Kraus, kein Zeitgenosse, hat die Lindner-Performance der FDP so ausgedrückt: „Der Liberalismus kredenzt ein Abspülwasser als Lebenstrank.“ Von Georg Büchner kommt dazu die Wahlempfehlung: „Das arme Volke schleppt geduldig den Karren, worauf die Fürsten und Liberalen ihre Affenkomödie spielen.“ GERD JÜTTNER, Leinfelden-Echterdingen

Nicht cool

betr.: „Der brillante Performer“, taz vom 19. 9. 17

Dass die „neue FDP“ emotional wärmer daherkomme, hat nun wirklich noch niemand bemerkt, außer der FDP selbst. Lindner wirkt so überhaupt nicht „cool“, auch nicht als Smartphone-Daddler auf FDP-Wahlplakaten. Über die machen sich viele Leute lustig – ich höre im Bus immer wieder, er sähe einen ja nicht einmal an von seinen „Unterwäscheplakaten“. Übrigens, „cool“ finden es auch die meisten jungen, gut ausgebildeten Leute nicht, sich von einem befristeten Arbeitsvertrag zum anderen zu hangeln, oder nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden, selbst wenn ihre Leistung für gut befunden wird, nur weil die Firma lieber jemand Neues befristetet einstellen will. Cool finden sie es auch nicht, wenn sie freiberuflich „irgendwas mit Internet“ machen, aber sich die Krankenkasse trotzdem nicht leisten können. So was fühlt sich nun mal nicht „schick“ an. Da wünschen sich die meisten doch mehr 20.-Jahrhundert-Spirit, denn der Umverteilungsgedanke und die Idee von sozialer Gerechtigkeit sind logischerweise zeitlos und keine Kategorie von „modern, cool“, „Louis-Vuitton-Hand­tasche“ oder Dreitagebart.

MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Trumpisierung

betr.: „Der brillante Performer“, taz vom 19. 9. 17

Nun, wenn das das Einzige ist, was zählt: Die Inszenierung ist alles, die Fakten Nebensache, Kinderarmut, marode Infrastruktur, Militärhilfe für Saudi-Arabien, das permissive Verhalten der Regierung im Diesel­skandal, um nur einige zu nennen. Die Digitalisierung im Unterricht ist ein wichtiges Thema, nur sollte auch nicht vergessen werden, dass in vielen Schulen der Putz von den Wänden fällt. Von der Priorität der Bildung merkt man eben nur vor den Wahlen etwas. Aber Hauptsache Unterhaltungswert und die Performance sind super. Ab in die Trumpisierung des Wahlkampfs!

HELLMUTH LILIENTHAL, Essen

Strahltypen

betr.: „Was zählt, ist unterm Lack“, taz vom 19. 9. 17

Richtig, Anja Maier! Wahlkampf ist wie Gebrauchtwagenhandel. „Markt vor Staat, daran hat sich nichts geändert.“ Die Märkte brauchen gelifestylte Strahltypen, die auf Hochglanz polierte Schrottkarren verkaufen. Oder, um die Schlagzeile „Was hat er, was sie nicht haben?“ der Seite 1 aufzugreifen: „Was hat er (der Vertreter der Reichen), was sie (die Wähler) nicht haben?“ Geld! Und das soll auch so bleiben.

NORBERT VOSS, Berlin

Merkels Großtaten

betr.: „Zwischen den Alphatieren“, taz vom 18. 9. 17

Liebe Frau Mertins, Sie sprechen mir aus der Seele! Eine Großtat haben Sie nicht erwähnt: einen schwulen Außenminister! Es war mir eine Genugtuung zu sehen, wie er in Ländern, die für ihre Verfolgung Homosexueller bekannt sind, mit allen Ehren empfangen werden musste, mit Handschlag vor den Kameras. CHRISTINE KLEMM, Hamburg

Der Auftrag

betr.: „Bayram schließt Jamaika aus“, taz vom 21. 9. 17

Was Politiker doch manchmal für einen Schwachsinn absondern! Sollte Cem Özdemir tatsächlich gesagt haben: „Wenn die Wählerinnen und Wähler uns den Auftrag geben, dann reden wir mit allen Parteien“, soll er mir bitte zeigen, wo ich auf dem Wahlzettel ein Kreuz machen kann, um den Grünen den Auftrag zu erteilen, mit der FDP zu verhandeln. Oder besser: nicht mit der FDP zu verhandeln. Und nicht mit der CDU. HARALD GRUHL, Lehrte