MAL WIEDER EIN EINKAUFSAUSFLUG IM KADEWE
: Ein Glas Champagner, einfach nur so

VON DIRK KNIPPHALS

Das KaDeWe spielt in einem Westberliner Normalbewusstsein gleich mehrere Rollen. Es ist, wie das ICC und der Zwiebelfisch, eine Erinnerung daran, wie westberlin Westberlin einmal war. Außerdem fällt es einem, wie der Zoo oder die Gemäldegalerie, manchmal ein, wenn man nach einem interessanten Ziel für einen kleinen Ausflug sucht. Und dann kann man da ja auch immer noch einkaufen. Bisschen teuer, aber es gibt alles.

Neulich war es wieder Zeit für so einen Ausflugseinkauf. Es sollte selbstgemachtes Sushi geben, und bei rohem Fisch gibt es nun einmal keine Kompromisse. Der Einkauf hat dann auch gleich wieder großen Spaß gebracht. Was für ein zutiefst unwahrscheinlicher Ort diese Feinschmecker-Etage ist! Das liegt, klar, an der potlatschhaften Fülle des Angebots. Aber auch an den eben gerade nicht nostalgisch zelebrierten, sondern mit Richard-Sennett-mäßiger Handwerksexpertise hochprofessionell über die Bühne gebrachten Verkaufstätigkeiten.

Ein Verkäufer in maritimem Fischfachverkäuferhemd (genau so sah der Fischer in List aus, von dem wir im Sommer Krabben direkt vom Kutter kauften) nahm unsere Bestellung entgegen. Vor ihm erstreckte sich eine Kühltheke mit allen bunten Fischen dieser Welt, aber er verschwand erst einmal in den hinteren Lagerräumen, kam kurze Zeit später mit zwei riesigen Stücken Thunfisch und Lachs zurück, die so frisch aussahen, als hätte er sie eben schnell aus dem Aquarium des Zoos geangelt, und schnitt jeweils ein kleines Stück heraus. Schnelle, fachkundige Bewegungen; es war eine Freude, ihm dabei zuzusehen. 20,86 Euro zahlten wir für 300 Gramm Fisch. Dafür wurden beide Stücke, als seien es Preziosen, jeweils einzeln noch sorgfältig eingeschweißt.

Eine Show für sich sind natürlich die anderen Besucher. Ein fetter Gigolo im rosa Polohemd mit hochgestelltem Kragen, Goldkette, Pferdeschwanz und Sonnenbrille. Japanische Reisegruppen. Westberlinerinnen, die bestimmt extra für diesen Einkauf noch vorher zum Frisör gegangen sind. Am deutlichsten fiel mir aber ein etwa 60-jähriger Mann auf, der mit Breitcordhose, Sacko und Baskenmütze allein für sich am Champagnerstand saß, ein Glas vor sich stehen hatte und die FAZ las.

Ich stellte mir gleich vor, dass er ein Mitglied dieser leicht angegrauten bürgerlichen Boheme von Wilmersdorf war und eben hin und wieder, einfach nur so, ein Glas Champagner im KaDeWe trank. Und Rolf Edens Antwort auf die Frage, was der jüdische Neujahrstag für ihn bedeute, fiel mir ein: „Er ist ein Feiertag für mich. Weil für mich jeder Tag ein Feiertag ist.“

Das Sushi wurde übrigens sehr gut.