Mode aus Sehnsucht

DAS WOHLFÜHLDORF Carolin Graening macht ökologisch korrekte Strickmode, die Geschichten transportiert: Geschichten vom Dorf und vom sozialen Zusammenhalt. Damit hat die 38-Jährige großen Erfolg

Carolin Graening betritt das Café Schönbrunn im Volkspark Friedrichshain in einem Traum von einer Strickjacke. Weich und fluffig wirkt sie, grob und federleicht. Es ist ein Stück aus der Kollektion ihres eigenen Stricklabels caro e., und es ist eine Jacke, in der man sich zu Hause fühlt, gibt Carolin Graening mit einem nonchalanten Schulterzucken zu. Denn diese große, schlanke Frau steht dazu, dass sie Mode macht, die ländlich inspiriert ist. „Heimat ist mir wichtig“, lächelt sie verschmitzt. „Und in meinem Fall heißt Heimat nun mal Dorf.“

Carolin Graening ist in einem Dorf an der Nordsee aufgewachsen, ihre Mutter war manische Strickerin, als Fünfjährige strickte sie ihren ersten Pullover. Und doch wusste sie früh, dass sie rausmusste aus dem Dorf, denn da waren die schrägen Blicke, die sie in ihren selbst genähten Hosen erntete – da war ihre Passion, die sie in der Provinz nicht zum Beruf machen konnte.

2006 gründete Carolin Graening in Berlin ihr Label für grüne Strickmode. Jedes ihrer Stücke erzählt eine Geschichte. Zum Beispiel die Strickjacke, die sie trägt: Das Garn stammt aus Uruguay, es wurde von Künstlerinnen gefärbt, die sich so von ihren Männern unabhängig machen. Ist es das, wonach sich Carolin Graening sehnt: nach einer Art gutem Gewissen? „Deshalb bin ich auch damals nach Berlin gekommen“, sagt sie. Die Miete, die kam in dieser Stadt immer irgendwie rein. Und für den Rest, da gab es dann die Notgemeinschaften, durch die man Projekte verwirklicht, die man allein nicht stemmen könnte. Alles, was gut war am Dorf, das schuf man sich hier. Und alles, was schlecht war, die Kontrolle, die Einförmigkeit der Lebensentwürfe, die ließ man zurück. Dachte man jedenfalls.

Doch Berlin hat sich verändert, besonders der Prenzlauer Berg, in dem Carolin Graening bis heute lebt und arbeitet. Carolin Graening muss feststellen, dass manches nun doch den Weg nach Berlin gefunden hat. Sie kennt sie genau, diese Leute, die hier Wohnungen kaufen und dann alles verjagen, was sie stört. Diese Mütter, die sich dieselben Mützen stricken wie ihren Töchtern und Berlin für das bessere Bullerbü halten. Carolin Graening wehrt sich, dass ihre Mode gut passt zu Müttern wie diesen.

„Meine Sehnsucht ist kein Kitsch“, wendet sie ein. Und erzählt dann von ihren modernen Schnitten und von sexy Abendkleidern aus Mohair. „In Kleidern wie diesen kann man nicht im November an der Nordsee wandern“, sagt sie lachend. Und zum Abschied, da schwingt sie sich, die selbst Mutter zweier Söhne ist, tatsächlich auf eines dieser Rennräder, die jetzt so en vogue sind, ein rotes Rad mit weißen Felgen. Das sieht gut aus. Besonders in Kombination mit der Strickjacke. SUSANNE MESSMER