Die neue Devise: Trau keinem über 40

Das war’s. So nett die beiden Grünen-Fraktionschefinnen auch lächeln, die neue und die wieder gewählte, als sich am Dienstag die dicken Holztüren von Sitzungssaal 113 öffnen und die beiden vor die Medien treten – so traurig ist dieser Moment zugleich. Jedenfalls für einen, der als Mittvierziger die Szenerie beobachtet. Denn dass die Grünen nun auch den zweiten Posten in ihrer Doppelspitze mit einer Mittdreißigerin besetzten, manifestiert eine Entwicklung im Abgeordnetenhaus: Gib dem Alter keine Chance!

Keiner der nach der Parlamentswahl 2011 neu ins Amt gekommenen Fraktionschefs ist über 40, in der Regel ist Mitte 30 angesagt in der Führungsebene im Abgeordnetenhaus. 35 ist SPDler Raed Saleh, 39 Florian Graf von der CDU. Junior unter den Fraktionschefs ist der Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer mit 28 Jahren. Sein Co-Chef Andreas Baum ist immerhin 34.

Da mussten die Grünen natürlich nachziehen – einer wie der Ende 2011 zurückgetretene und schon damals 51-jährige Volker Ratzmann war nicht mehr denkbar. Mit 36 liegt Antje Kapek als neue Frau an der Grünen-Spitze voll im Trend, genau wie Ramona Pop mit 35. Nur Udo Wolf (Linkspartei) passt mit 50 nicht ins Schema – aber Ausnahmen bestätigen ja die Regel. Auf Parteiebene sieht es kaum anders aus: Über 40 sind nur Bettina Jarasch (Grüne) und Frank Henkel (CDU).

Bei all dem Jugendwahn gibt es einen Trost. Die Genannten müssen zumindest in einem Fall selbst Altersdiskriminierung erdulden: Keiner von ihnen könnte derzeit Bundespräsident werden – weil das Grundgesetz es verbietet. Da sagt Artikel 54 Absatz 1: „Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebensjahr vollendet hat.“ Schöne Sache, so ein Grundgesetz.

STEFAN ALBERTI