Eine Zeitreise zurück in die Zukunft

Tennis Der US-Open-Sieg von Rafael Nadal ist das konsequente Ende einer außergewöhnlichen Saison der Renaissance

Glückselig: Rafael Nadal Foto: ap

NEW YORK taz | Als Roger Federer im letzten Oktober die große Eröffnungsparty von Rafael Nadals Tennisakademie besuchte, da hatte das Wiedersehen der Tennistitanen auf Mallorca leicht sentimentale Züge. Andere Stars hatten die Regie an sich gerissen, die Rivalität zwischen Andy Murray und Novak Đjoković bestimmte die Schlagzeilen.

Was in den nächsten zehn Monaten passierte, können sich beide nicht erwartet und erträumt haben. Nicht Federer, der das Jahr 2017 mit dem Paukenschlagtriumph in Australien begann und auch noch in Wimbledon gewann, aber auch nicht Nadal, der in seiner Karriere schon zusammengerechnet drei Jahre lang wegen immer neuer Verletzungen pausieren musste. Er gewann nicht nur den zehnten Titel in seinem roten Pariser Sand-Refugium. Er hatte schließlich auch das machtvolle letzte Wort in dieser außerordentlichen Tennissaison. „Es waren unglaubliche Monate, voller großer Emotionen“, sagte der 31-jährige Spanier nach seinem souveränen 6:3, 6:3, 6:4-Endspielsieg über den Südafrikaner Kevin Anderson in New York. Wie eine One Man-Show wirkten diese Offenen Amerikanischen Meisterschaften, es war ein Alleingang Nadals, der Erfolg eines Mannes, der durchgehend Selbstvertrauen, Sicherheit und Solidität ausstrahlte.

Es war eine Zeitreise, auf die Nadal und Federer die Tenniswelt in den vergangenen acht Monaten mitnahmen, bei dieser Comebacktour. Wie in ihren Glanzzeiten, Mitte der Nullerjahre, prägte der Zweikampf des Matadors und des Maestros den professionellen Tourbetrieb. Federer und Nadal gewannen nicht nur zum vierten Mal alle Titel einer Saison (so wie 2006, 2007 und 2010), sie bewiesen auch wie früher ihre wechselseitigen Bessermacherqualitäten.

„Das Duell mit Roger hat immer das Beste aus mir herausgebracht“, sagte Nadal noch einmal nach dem New Yorker Triumph. Lebenslanges Lernen und Reformieren seines Spiels gehört bei Nadal genau so zu den verpflichtenden Prinzipien wie bei Federer: Längst spielt der Tenniskämpfer ideenreicher und kreativer als in seinen Anfangsjahren, auch bei seinem ungefährdeten US-Open-Siegeszug demonstrierte er das. Besonders beeindruckend im Finale gegen Anderson. „Bezeichnend“ fand es TV-Experte Boris Becker, dass Nadal den entscheidenden zweiten Matchball mit einem Volley verwandelte. „Er ist ein Vorbild für jeden jungen Spieler. In der Akribie, mit der er an sich arbeitet, Tag für Tag“, so Becker.

Noch immer ringen Nadal und Federer, nun auch wieder die Nummer 1 und 2 in der offiziellen Hackordnung, um ihren Platz in den Geschichtsbüchern. Die Frage ist, wer seine Karriere mit mehr Grand-Slam-Titeln abschließt. Beide haben diese Jahr ihre Trophäensammlung um zwei Pokale aufgestockt, Federer hat nun 19 Majorsiege, Nadal 16. „Ich schaue nur auf mich, auf meinen Weg“, hat Nadal in New York gesagt. Es war aber immer der Ehrgeiz, in dieser Rivalität die Nase vorn zu haben, der ihn angetrieben hat und der auch Federer zu Großtaten motivierte. Nadal ist der gefühlte Jäger, der Mann, der Federer einholen muss. Aber er hat noch ein paar Jahre mehr Spielzeit vor sich. Federer ist 36, Nadal 31. „Im Moment kann ich mir vorstellen, noch ein paar Jahre weiterzuspielen“, sagte Nadal, „das war nicht immer so. Aber hier und jetzt fühle ich mich großartig, fit und gesund. Und voller Tatendrang.“

Was jedoch ist mit den Konkurrenten? Mit all den Maladen und Müden aus der Spitze. Murray, Đjoković, Wawrinka, Nishikori oder Raonic, allesamt nicht in New York am Start – wie werden sie zurückkehren? „Die Konkurrenz wird wieder härter werden“, prophezeite Nadal. So leicht durchzumarschieren wie in New York, das wird ihm demnächst wohl nicht vergönnt sein. Denn bei diesem eher mittelprächtigen Grand-Slam-Turnier war nur er im Superheldenmodus unterwegs, bis zum Titelgewinn musste er nicht mal einen Top-20-Gegner schlagen.

Jörg Allmeroth