Delmenhorster Kreisblatt speckt ab

MEDIEN Vor einem Jahr verkündete der Chefredakteur Ralf Freitag stolz ein neues lokal orientiertes Zeitungskonzept für das kleine Delmenhorster Kreisblatt. Nun erweist es sich als Spar-Modell

„Dabei zoomt die Redaktion den Blick auf die Welt immer weiter auf“

Chefredakteur Ralf Freitag

„Das neue Konzept der Delmenhorster Kreiszeitung ist aufgegangen“, verkündete Chefredakteur Ralf Freitag in der November-Ausgabe des Magazins „Drehscheibe“. Die Zeitschrift Drehscheibe „liefert jedes Monat die besten Geschichten und Ideen aus deutschen Lokalredaktionen“, so die Selbstdarstellung. Vor gut einem Jahr hatte der Delmenhorster Chefredakteur in der Drehscheibe in einem Interview sein neues Konzept vorgestellt. Die überregionale Berichterstattung sollte nicht mehr vom Weser Kurier „eingekauft“ werden, sondern in der Redaktion selbst erarbeitet und mit lokalen Themen verknüpft werden. Die Berichterstattung sollte sich stärker an die „Lebenswelt unserer Leser anpassen“, die Redaktionsmitglieder sollen sich bei der Tageschau fragen: Was bedeutet das für unsere Leser? Die Nachrichten der Welt sollen mit der Lebenslage der Menschen im Landkreis verknüpft werden.

Haben die Leser es gedankt? Offenbar nicht. Auflagenplus gab es nicht, teilt Freitag mit, aber 51 Abbestellungen mit Hinweis auf das neue Konzept, verrät der Chefredakteur.

Was der Chefredakteur der Drehscheibe anvertraut hat, ist weniger als die halbe Wahrheit. Schon Mitte Oktober teilte das Delmenhorster Kreisblatt den Lesern mit, sie müssten künftig auf die Kultur- und die Wirtschaftsseite verzichten. Auch die Teilung der Zeitung in eine Ausgabe „Delmenhorst“ und eine für Ganderkesee werde rückgängig gemacht, in Zukunft gebe es nur eine Ausgabe. Die Begründung dafür ist eine stilistische Perle: In zwei lokal ausgerichteten Ausgaben könnten „die Beziehungen zwischen Delmenhorst und dem Landkreis Oldenburg nicht mehr adäquat abgebildet werden“.

Am 1. November kam dann die Katze aus dem Sack: Die wirtschaftlichen Lage des Rieck-Verlages sei schlecht, wegen der „anhaltenden Branchenkrise“ müssten 5 Redaktionsmitglieder entlassen werden. Die Auslage, teilte die Konkurrenz aus Oldenburg, die Nordwest-Zeitung, postwendend mit, sei seit 2002 kontinuierlich von gut 20.000 verkauften Exemplaren auf knapp 16.000 Exemplare gesunken laut offizieller IVW-Zeitungsstatistik. Der Rieck-Verlag versucht sein Delmenhorster Kreisblatt gegen die erdrückende Konkurrenz der Weser-Kurier Gruppe und der NWZ mit einer originellen Zeitungs-Idee zu behaupten. Die traditionelle Ressortstruktur soll durch ein „geografisches Ordnungssystem“ ersetzt werden, erläutert Freitag, dabei zoomt die Redaktion den Blick auf die Welt immer weiter auf: Der Leser beginnt seine Reise durch die Zeitung vor Ort im Lokalen, geht dann in die Region, von dort auf die Landesseite. Auf Seite 22 geht es dann um Deutschland-Berichterstattung, am Samstag waren die Milchpreise die Top-Nachricht, Seite 21 schließlich „Europa“ und für Weltnachrichten ist auf Seite 24 Platz – die müssen aber auch noch Platz abgeben für die Börsenkurse abgeben. das bedeutet: Die zeitung richtet sich an Menschen, die voll in der Region verwurzelt sind. Wenn die Leser sich intensiver weltpolitischen Nachrichten widmen wollten, würden sie die sowieso nicht in einem Delmenhorster Lokalblatt suchen, erklärt Freitag.

Und: „Auch betriebswirtschaftlich ist das Konzept interessant, da wir nachvollziehbar auf Dinge verzichten können und so eine schmalere Zeitung produzieren – ohne an Qualität einzubüßen. Denn natürlich ist das Konzept nicht nur aus lokaljournalistischem Sendungsbewusstsein heraus entstanden.“

Die Entlassung von fünf Journalisten unterstreicht also nur die betriebswirtschaftliche Seite des Konzeptes. Kawe