Der Führungsspieler

René Adler hätte sich nicht auf die Frage einlassen brauchen. Einfach sagen, dass man seine Leistung bei der 0:3-Niederlage des Hamburger SV gegen Bayern München wohl kaum mit der seines Gegenüber Manuel Neuer vergleichen könne, der keinen einzigen gefährlichen Torschuss abwehren musste. Aber das Spiel war nun einmal zum „Duell der Torwart-Titanen“ hochstilisiert worden und Adler mochte nicht der Spielverderber sein: „Wenn es denn ein Duell war, dann habe ich dieses grandios verloren“, sagte er pflichtschuldig.

In Wirklichkeit hatte er seine Mannschaft mit zwei Weltklasseparaden davor bewahrt, noch früher uneinholbar in Rückstand zu geraten, bevor er beim 0:2 durch einen Kunstschuss von Thomas Müller das kurze Eck einmal nicht ganz so abdeckte, wie er es laut Lehrbuch hätte tun sollen. Titan-Vergleiche wecken bei Adler ohnehin schmerzhafte Erinnerungen. Nach einer Trainingsverletzung im Mai 2006 wurde eine Rippe durch eine Titanplatte verstärkt. Acht Monate fiel Adler damals aus.

Nicht immer kann ein Spiel so laufen wie der allererste Auftritt des geborenen Leipzigers in der Bundesliga – damals im Tor von Bayer Leverkusen. „Adler, immer wieder Adler“, titelten die Zeitungen am 25. Februar 2007 nach dem 1:0-Sieg gegen hoch überlegene Schalker. Eigentlich sollte Adler den gesperrten Stammkeeper Jörg Butt nur für ein Spiel vertreten – aber nach dieser Leistung wäre es „ein Verbrechen“ gewesen, wie die Süddeutsche schrieb, ihn wieder auf die Bank zu setzen. Wenig später fuhr Adler statt Neuer als dritter Torwart zur Europameisterschaft 2008.

Doch dann verletzte er sich erneut an den Rippen und verpasste die WM 2010, wo er fest als Stammtorwart eingeplant war. Den Job übernahm bekanntlich Manuel Neuer und hat ihn bis heute nicht wieder abgegeben. Nach einer weiteren Verletzung, diesmal am Knie, und mehrmonatiger Zwangspause, musste Adler wieder tatenlos mit ansehen, wie mit Bernd Leno ein junger Torwart seinen Platz in Leverkusen einnahm.

Nicht wenige schrieben Adler schon ab. HSV-Sportdirektor Frank Arnesen handelte sich viel Skepsis ein, als er ihn vor dieser Saison für den HSV verpflichtete. Nur ein paar Monate später ist Adler nicht nur Publikumsliebling, sondern Führungsspieler. Ohne seine Paraden wäre das Abstiegsgespenst in Hamburg nicht so schnell verflogen.

Adler und Hamburg – das passt einfach. Leider derzeit auch im Hinblick auf seine fußballerischen Vorlieben: „Ich fand es in der Jugend schon immer am schönsten, wenn die Gegner allein auf mich zugelaufen sind. Da kannst du dich am besten auszeichnen.“ RALF LORENZEN

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