: Nach dem Festspiel ist vor dem Fest
MUSIK In Berlin stehen in den kommenden Monaten zwei Festival-Schwergewichte an
Der musikalische Festival- und Festspielsommer klingt langsam aus – die Bayreuther Festspiele etwa, auf denen unter anderem Barrie Kosky sich bei seiner Maßstäbe setzenden Inszenierung der „Meistersinger“ mit Richard Wagners Antisemitismus auseinandergesetzt hat, enden am Montag, das Salzburger Pendant dann zwei Tage später. Doch nach dem Festspiel ist vor dem Fest, und dabei rückt schließlich die deutsche Hauptstadt in den Mittelpunkt. Dort stehen in den kommenden Monaten zwei musikalische Festival-Schwergewichte an.
Den Anfang macht das Musikfest Berlin, das am Montag, den 31. August, startet und bis zum 18. September läuft. Das aus den 1951 gegründeten Berliner Festwochen hervorgegangene Orchesterfestival der Berliner Festspiele bildet seit 2005 jedes Jahr im Spätsommer den Auftakt der Berliner Konzertsaison mit Auftritten von internationalen Spitzenorchestern, Instrumental- und Vokalensembles – vergangenes Jahr begeisterten dort etwa die Berliner Philharmoniker mit Werken des Minimal-Music-Komponisten John Adams, der selber dirigierte. Die taz nannte das „orchestrale Überwältigungsmusik“.
Dieses Jahr werden in der Philharmonie, in deren Kammermusiksaal, in der Akademie der Künste am Pariser Platz, im Konzerthaus Berlin, im Pierre Boulez Saal und der St.-Hedwigs-Kathedrale an 19 Tagen über 80 Werke von rund 40 KomponistInnen präsentiert. Ein Schwerpunkt bilden dabei die Kompositionen von Claudio Monteverdi, der vor 450 Jahren in Cremona geboren wurde. Monteverdis Musik steht für den Umbruch von der Renaissance zum Barock, für einen neuen Stil des Singens. Neben in Berlin ansässigen Orchestern und Chören gastieren zahlreiche Solist*innen, Ensembles und Orchester beim Musikfest, unter anderem das Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam mit Daniele Gatti und, erstmals beim Musikfest Berlin, die Filarmonica della Scala aus Mailand mit ihrem Chefdirigenten Riccardo Chailly.
Eröffnet wird das Musikfest von der Staatskapelle Berlin und Daniel Barenboim mit der 8. Symphonie von Anton Bruckner, und es schließt mit einem Konzert des Orchesters der Deutschen Oper Berlin unter Leitung von Donald Runnicles: mit Musik von Hector Berlioz und Richard Wagner.
Jazz-Fans müssen sich in der Hauptstadt allerdings noch gedulden: Am 31. Oktober wird das bis zum 5. November laufende Jazzfest Berlin eröffnet. Letztes Jahr wurden dort erstmals zur Hälfte Frauenbands präsentiert. Um Vielfalt geht es auch dieses Jahr: So hat Festivalleiter Richard Williams seine letzte Ausgabe des Jazzfests mit einem Zitat Ornette Colemans betitelt: „In all languages“. In einer Welt, in der „tagtäglich Mauern errichtet“ werden“, rufe uns der Jazz in Erinnerung, dass Gesellschaften nur eine gute Basis haben, wenn sie „im Geiste von Offenheit“ zusammenarbeiten. Ohne dabei den „kostbaren afroamerikanischen Kern“ des Jazz außer acht zu lassen, heißt Willliams, ungeachtet ihrer Herkunft, alle willkommen, die „Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit anderen“ finden“.
Dafür hat das Festival erstmalig auch einen Artist-in-Residence: den in New York ansässigen Komponisten, Schlagzeuger und Bandleader Tyshawn Sorey, der sowohl mit seinem Trio als auch in neuen Formationen mit Berliner MusikerInnen zu erleben sein wird. Daneben gibt es dieses Jahr auch speziell für das Festival in Auftrag gegebene Kompositionen des amerikanischen Trompeters Ambrose Akinmusire und des irakisch-amerikanischen Trompeters Amir ElSaffar zu hören.
Und als Brite hat Richard Williams noch ein besonderes Anliegen: Weil London nach dem Votum der Briten bald nicht mehr zur Europäischen Union gehören wird, hat er zahlreiche Musiker aus Großbritanniens Hauptstadt eingeladen. An drei Tagen sollen sie mit Berliner Kollegen im kleinen Klub A-Trane gemeinsam musizieren – um so stichhaltige Argumente für kulturelle Zusammenarbeit zu liefern. OS
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