LeserInnenbriefe
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Schlechte Luft macht gute Laune

betr.: Dieselgate

Es gab einmal eine Zeit, da durfte in den Kneipen noch geraucht werden. Die Luft war zwar schlecht, die Stimmung aber bestens. Das wurde von Miesmachern gründlich geändert. (Nur eine kleine Kneipe am Hessenplatz in Frankfurt am Main widersteht bis heute.)

Dann änderten sich zum Glück die Zeiten. Die Autoindustrie sorgte in der Merkel-Ära mit dicken Motoren für genügend schlechte Luft auf den Straßen, was die Stimmung auf ungeahnte Höhen brachte. (40 Prozent für die CDU!) Nun aber wollen die alten Miesmacher die Luft auch auf unseren Straßen verbessern, indem sie Benziner und Diesel als Luftverpester und Krankmacher verunglimpfen. Prompt sank und sinkt die Stimmung der Bevölkerung in Richtung mies.

Eine miese Stimmung unter uns Bürgern ist aber, im Hinblick auf die Wahl im Herbst, schlecht für die Regierenden, aber gut für die Opposition. Also schlossen die regierenden Politiker (aller Parteien) mit der Autoindustrie ein Abkommen, das auch weiterhin für schlechte Luft, aber gute Stimmung sorgt. Politiker denken halt zukunftsorientiert – für sich.

HANS GEORG MÜNCHOW, Frankfurt am Main

Von schwarzer Energie verstrahlt

betr.: „Wen kann ICH noch wählen?“, taz vom 12./13. 8. 17

Wie jedes zweite Wochenende: ein Ausflug in intellektuelle Sphären, die noch nie zuvor ein Mensch betreten hat. Richtig ist: Es geht nicht um halb-links-halb-rechts. Es geht um eine Idee von Politik, die sich nicht in Allgemeinplätzen wie bei Merkel („Da muss man eine Lösung finden.“) oder Lindner („Staat ist scheiße.“) erschöpft. Eine Idee von Politik, die sich nicht schon nach dem dritten Spiegelstrich selbst widerspricht.

Eine solche Idee zu liefern hat Martin Schulz versäumt und ist deshalb abgeschmiert. Wer nun ausgerechnet die Schnarchnase Winfried Kretschmann, der sich im Augenblick auf seine künftige Rolle als Pressesprecher von Daimler vorbereitet, als politischen Titan sieht, wurde sicher von schwarzer Energie verstrahlt. THOMAS DAMRAU, Böblingen

Kacken kann genussvoll sein!

betr.: „Hockklo“, taz vom 12. / 13. 8. 17

Als ich 1967 die Bretagne besuchte, benutzte ich das erste Mal ein Hockklo. Mein Vater hatte mich „vorgewarnt“, dass hier die Toiletten „etwas anders sind“. Nun, ich war sehr erstaunt, konnte aber sehr entspannt alles loswerden, was mein Körper nicht mehr brauchte. Und es war sauberer als manche Damentoilette hierzulande.

Ich finde die Idee in Köln fortschrittlich und gesund. Es ist doch klar, dass sich wieder ein paar verklemmte und gestrige Spießbürger aufmandeln. Vielleicht haben sie auch Angst, aus der gebückten Haltung nicht mehr hochzukommen. Dafür gibt es übrigens Griffe an der Wand.

Spätestens seit dem sehr empfehlenswerten Sachbuch von Giulia Enders weiß der/die gebildete Leser/in, was der Darm braucht: die Hockstellung zum genussvollen Entleeren – ja – Kacken kann genussvoll sein!

Ich habe mir einen Hocker herausgeholt und vor meine Toilettenschüssel gestellt. Und wer gern noch mehr erfahren will, dem lege ich Florian Werners „Dunkle Materie: die Geschichte der Scheiße“ in die Hände; die taz nennt ja die Dinge beim Namen. SIBYLLA NACHBAUER, Erlangen

Ressentiments in Lateinamerika

betr.: „Auf dem linken Auge blind“, taz vom 11. 8. 17

Vielen Dank für den erhellenden und informativen Artikel!

Zu ergänzen wäre bei der Analyse noch, dass das venezolanische Bürgertum von Anfang an eine Fundamentalopposition gegen Hugo Chávez organisiert hat. Es hat auf der Seite der politischen Elite und der Mittelschicht an der Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Chávez gefehlt, etwa Kompromisse einzugehen und die parlamentarische Demokratie wirklich umzusetzen und damit zu sichern.

Ein Nebenaspekt der politischen Prozesse ist das Ressentiment, ja der Abscheu vor der Unterschicht, den das Bürgertum empfindet, sowohl in den Ländern Lateinamerikas wie auch in den USA. BEATE THILL, Freiburg

Liebe ist stärker als Politik

betr.: „Zurück in Trump-Land“, taz vom 12. / 13. 8. 17

Danke für diesen hervorragenden Bericht. Ich erinnere mich noch gut an den im letzten Jahr und habe diesen sofort gelesen. Wie schon der frühere hilft er wie eine Medizin.

Mir kommen leider immer wieder solche Gedanken wie: Wer so ein Arschloch wählt, ist selber scheiße, wonach es mir auch nicht besser geht. Diese kleine Erzählung nimmt die verletzende Schärfe weg, indem sie menschlich Anteil nimmt und nehmen lässt. Liebe ist stärker als Politik. Ohne irgendwas zu verdrängen.

Der Satz „Für Abtreibung sein ist für sie genau so schlimm wie für mich Rassismus“ zeigt übrigens mehr als Respekt vor der fremden Meinung, nämlich den Versuch, wirklich zu verstehen. Das erzeugt Nachdenklichkeit. Dabei ist mir eine sprachliche Feinheit aufgefallen: Kein Mensch ist für Abtreibung.

Es geht darum, dass unberufene Leute sich nicht in etwas einmischen, das sie nichts angeht. Diese kleine Perspektivverschiebung könnte vielleicht noch mal als klügere Gesprächsgrundlage taugen. AXEL DÖRING, Bremen