Kommunen kämpfen gegen freie Schulwahl

Die geplante Auflösung der Schulbezirke in NRW könnte die Kommunen Millionen kosten. Vor allem im verschuldeten Ruhrgebiet wächst deshalb der Widerstand: Die Stadt Bochum beschließt als erste, Zusatzkosten einfach zu verweigern

BOCHUM taz ■ Landesweit wächst der Widerstand gegen die von der schwarz-gelben Landesregierung geplante Auflösung der Grundschulbezirke. „Die Kommunen wird die freie Schulwahl höchstwahrscheinlich Millionen kosten“, sagt Martin Piegeler, Fraktionsgeschäftsführer der Bochumer Grünen. „Außerdem fürchten wir, dass sich die Schulen ohne Schulbezirke in solche für Privilegierte und solche für weniger Privilegierte spalten.“ Der mehrheitlich rot-grüne Bochumer Stadtrat hat deshalb beschlossen: „Der Rat stellt klar, dass die Stadt Bochum nicht bereit ist, die durch die Aufhebung der Grundschulbezirke entstehenden Mehrkosten zu tragen“, heißt es in einer am Donnerstag verabschiedeten Resolution.

Angst vor einer erheblichen Belastung durch die umstrittene Reform haben inzwischen fast alle Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Für die Kommunen sei nicht mehr planbar, wie stark eine Schule ausgelastet ist, fürchtet Martin Lehrer, Sprecher des nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebundes. „An bestimmten Schulen steigen möglicherweise die Schülerzahlen plötzlich rapide, andere sind nicht mehr ausgelastet und müssen vielleicht sogar schließen.“ Und obwohl eine Gemeinde eigentlich ausreichende Schulkapazitäten hat, müsste sie dann die betreffende Schule ausbauen: „So werden öffentliche Mittel verschleudert.“

Und noch ein weiterer Kostenpunkt schreckt die Städte: Sie sind verpflichtet, die Fahrtkosten ihrer Schülerinnen und Schüler zu übernehmen, wenn ortsnahe Grundschulen wegen Schülermangel geschlossen werden. „Unsere Grundschüler gehen in der Regel zu Fuß zur Schule“, sagt Martin Piegeler. „In Zukunft muss Bochum hunderte Bus- und Bahntickets mehr zur Verfügung stellen.“

Oder es müssten sogar neue Verkehrsverbindungen zwischen den Stadtteilen geschaffen werden. Das drohe vor allem in den Flächengemeinden, glaubt der Städte- und Gemeindebund, in dem die 395 kreisangehörigen Städte und Gemeinden NRWs organisiert sind. „Dort gibt es oft keine Busverbindungen zwischen den Ortsteilen. Das wird richtig teuer.“ Zudem halten die VertreterInnen der nordrhein-westfälischen Kommunen die Schulreform für unsozial. „Statt Schulen in Problemvierteln zusätzlich zu fördern, werden ihnen durch die neue Wahlfreiheit die guten Schüler abgezogen“, sagt Lehrer. „Das verschärft das soziale Gefälle.“

Der Gemeindebund hat sich deshalb einstimmig – entsprechend auch parteiübergreifend – für den Erhalt der Schulbezirke ausgesprochen und in der vergangenen Woche eine entsprechende Erklärung an die Landesregierung geschickt. Ähnliches plant der Städtetag NRW, in dem die kreisfreien Städte organisiert sind, in der kommenden Woche. „Wir müssen jetzt Druck aufbauen, um diesen Punkt des neuen Schulgesetzes so schnell wie möglich zu verhindern“, sagt Martin Lehrer. „Wir weisen die Landesregierung deshalb auch ausdrücklich daraufhin, dass sie im Rahmen des Konnexitätsprinzips eigentlich die zusätzlichen Kosten für die Kommunen übernehmen muss und hoffen, dass sie das abschreckt.“ Das seit Mitte 2004 in der nordrhein-westfälischen Verfassung verankerte Konnexitätsprinzip besagt, dass zusätzliche Kosten durch Landesgesetze vom Land übernommen werden.

Die CDU will trotz des massiven Widerstandes auch von Seiten der Lehrerverbände am Koalitionsvertrag festhalten. Dadurch, dass das Schulgesetz erst 2008 in Kraft tritt, hätten auch „problematische Grundschulen“ die Möglichkeit, sich im Wettbewerb zu positionieren, heißt es im Schulministerium (CDU). Doch auch innerhalb der Union ist die von der FDP eingebrachte Reform umstritten. Integrationsminister Armin Laschet hatte sogar geäußert, er „halte das Ganze für nicht durchdacht.“

MIRIAM BUNJES