„Glorreich! Merkel ist weg“

Großer Jubel bei der SPD im Kurt-Schumacher-Haus. Nur das hohe Ergebnis, das die FDP eingefahren hat, ist für viele erschreckend. Dennoch: Basis will Ampelkoalition

Bei Rotwein, O-Saft, Bier und Brezeln wartete die SPD-Basis gestern Abend im Kurt-Schumacher-Haus auf die 18-Uhr-Prognose. Großer Jubel hallte durch den Saal, als das schlechte Ergebnis der CDU bekannt wurde. Niemand hatte bis zu diesem Zeitpunkt mit einem derartigen Abrutschen der Christdemokraten gerechnet. Frenetischer Applaus und anhaltende „Gerhard, Gerhard“-Rufe auch, als der Kanzler um 19 Uhr in Berlin vor die Fernsehkameras trat.

„Glorreich. Ich bin glücklich. Merkel ist weg!“, sagte Johannes Kahrs, der im Wahlkreis Mitte für das Direktmandat kandidierte. Um ihn herum standen junge Menschen in „Kahrs-Team“-T-Shirts, von denen einige zuletzt drei- bis viermal die Woche morgens vor der Schule in „Morgenröte-Aktionen“ Flugblätter verteilt hatten. Dass Kahrs und auch die übrigen der sechs Direktkandidaten diesmal in den Bundestag einziehen, galt gegen 20 Uhr als sicher. Überall hatten sie einen deutlichen Vorsprung vor ihren Konkurrenten von der CDU. Unwahrscheinlich ist damit, dass die beiden Landeslistenkandidatinnen Dorothee Stapelfeldt (Platz 2) und Dorothee Bittscheidt (Platz 4) ein Mandat bekommen. Doch auch sie strahlten. „Ich freu mich total, Merkel ist weg“, sagte die ehemalige HWP-Präsidentin Bittscheidt. „Erschreckt“ habe sie das hohe Ergebnis von über 10 Prozent der FDP, deren „antigewerkschaftliche Haltung“ sie bedenklich finde.

„Entscheidend ist, Schröder kann bleiben“, freute sich auch Stapelfeldt. „Frau Merkel hat sich mit ihren Vorstellungen nicht durchgesetzt.“ Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Neumann bekundete am späteren Abend sogar Mitleid mit der Kanzlerkandidatin – „so, wie Stoiber und Koch jetzt schon über sie herziehen“.

„Mit diesem Ergebnis habe ich gar nicht gerechnet“, kommentierte der SPD-Landesvorsitzende Mathias Petersen. Die SPD sei, bei Prognosen von 24 Prozent zu Beginn des Bundestagswahlkampfs, auf 34 Prozent gestiegen. Merkel hingegen sei von 48 Prozent auf 35 Prozent gesunken. Petersen: „Das heißt, der Wahlkampf, den Gerhard Schröder gemacht hat, hat die Leute überzeugt.“ Bei der Regierungsbildung komme man deshalb an der SPD nicht vorbei. Eine rot-rot-grüne Koalition mit der Linkspartei schloss Petersen allerdings aus.

Als neue Lieblingsoption wurde im Saal eine Ampelkoalition diskutiert. „Für eine Ampel reicht es doch“, so beispielsweise das SPD-Mitglied Christian Berntzen. Ihm leuchte nicht ein, warum demokratische Parteien sich nicht zu einer Regierung zusammenschließen könnten. Allerdings glaube er kaum, dass es Merkel gelinge, die Grünen zu einer Schwarz-Gelb-Grünen-Koalition zu überreden. „Warum soll das nicht gehen“, redete auch Kahrs der Ampel das Wort.

„Die Leute haben FDP gewählt, weil sie keine Große Koalition wollten“, vermutete SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Andrea Hilgers. „Schröder hat gut gekämpft.“ Hilgers selbst hatte noch am Samstag in Winterhude 400 rote Rosen an Passanten verteilt. Ihr sei dort Sympathie entgegengebracht worden. Eine Passantin, die Hilgers gestand, sie werde SPD wählen, habe allerdings gefragt, ob sie ein Holz zum Draufbeißen dabei habe. Kaija Kutter