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: Die Welt blickt auf dieses Land. Am Fußball kann es nicht liegen

Noch wird in der Bundesliga guter Fußball wenigstens halbwegs erfolgreich simuliert

Die Welt blickt auf dieses Land. Gestern mal. Wegen der Wahl. Immerhin. Aber, seien wir ehrlich, bestimmt nicht wegen seines Fußballs. Zum Beispiel: Im Angesicht des neuen Rekordes von Bayern München, 14-mal in Folge in der glorreichen Bundesliga, der einstmals selbst apostrophierten „besten Liga der Welt“, den Platz als Sieger verlassen zu haben, beginnt der Guardian, ein Spitzenblatt aus dem Mutterland des Sports, seine fußballerische Auslandsberichterstattung mit der Schlagzeile: „The Start of Something Big“. Gemeint ist allerdings nicht der deutsche Serienmeister und seine unheimliche Serie, der nun drohende unaufhaltsame Durchmarsch der Bayern zum Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions-League-Gewinn, sondern der überraschende Aufstieg der grauen Maus der Serie A, US Palermo, zum für obere Plätze tauglichen Team in Italien.

Die Londoner Times titelt immerhin „Victory Threatened“, meint allerdings nicht die wackelige Leistung der ballacklosen Bayern beim mühseligen 1:0 gegen Hannover, sondern bloß den Wahlsieg der Union. Auch auf der Website der Gazetta dello Sport kann man unter der an journalistischer Nacktheit nicht zu überbietenden und die Dramatik der Ereignisse kaum angemessen repräsentierenden Überschrift „Bundesliga, Bayern München Tabellenführer“ kaum mehr als die nackten Ergebnisse nachlesen und erfährt immerhin, dass Stoccarda 2:1 in Magonza gewonnen hat. Ja, auch Mainz und Stuttgart spielen noch mit.

Also noch mal in aller Deutlichkeit für die Verträumten und die Ewiggestrigen: In Deutschland mag der Zuschauerschnitt so hoch sein wie nirgendwo sonst in Europa, aber jenseits der Grenzen interessiert das vor diesen Massen aufgeführte Geschehen nur sehr peripher. Gerade mal bei unseren liebsten Nachbarn wird anscheinend noch registriert, welch historische Tat hierzulande gelungen ist: „Rekord für Bayern“ titelt die Neue Kronen Zeitung. Allerdings glaubt das österreichische Pendant zur Bild-Zeitung nur an eine neue vereinsinterne Bestleistung. Anscheinend sind selbst Schifahrer nun bereits der Meinung, dass es so was Besonderes gar nicht ist, 15-mal in Folge in der Bundesliga zu gewinnen.

Seit 2001 war kein deutsches Team mehr im Halbfinale der Champions League, demnächst nehmen sie uns noch den dritten Startplatz weg, und immer nur die Bayern gewinnen ab und an noch sehenswert und souverän gegen europäische Spitzenmannschaften wie Rapid Wien. Das kann man traurig finden. Oder ins eh schon rappelvolle Stadion gehen: Wenn international eher zweitklassige Bremer hochdramatisch gegen überschuldete Dortmunder gewinnen, dann wird guter Fußball wenigstens noch halbwegs erfolgreich simuliert. THOMAS WINKLER