Womöglich Westmark

Drei neue Folgen der Grimme-Preis-gekrönten Doku „Damals in der DDR“ (21.45 Uhr, ARD) übers Wendejahr

Es ist furchtbar kalt an der Trasse der Freundschaft. Die Bauarbeiter aus der DDR, die hier in Sibirien die deutsch-sowjetische Erdgasleitung bauen, sind handverlesen. Jeder ein guter FDJler, jeder kriegt am Monatsende massenhaft Geld, das er nach Hause schicken kann – Mark der DDR, versteht sich. Als Jürgen Wolfram am 9. November 1989 im seinem Bauwagen sitzt und im Schwarzweißfernseher sieht, dass in Berlin die Mauer fällt, ist klar: Es wird sich mehr ändern als nur sein nächstes Urlaubsziel. Das Land, die Gesellschaft, sein Job. Und womöglich wird er irgendwann Westmark verdienen. Ein Moment größter Vorfreude, ein Moment allergrößter Verunsicherung. So viel weiß Wolfram: Er will sofort weg. Zurück nach Hause, in die DDR.

Der MDR, der es bereits mit den ersten vier Teilen von „Damals in der DDR“ im letzten Jahr zu Grimme-Preis-Ehren gebracht haben, legt zum 15. Jahrestag der Wiedervereinigung drei neue Kapitel nach. Sie beleuchten das Jahr 1990 in Ostdeutschland. Vom 9. Oktober 1989 bis zum 3. Oktober 1990, dem Tag, an dessen Ende Lothar de Maizière zwischen Bonner Prominenz eingezwängt vor dem Berliner Reichstag stand und das Ende der größten DDR der Welt amtlich wurde.

Die Autoren gehen wie auch in den ersten vier Folgen sorgsam vor – mit dem Thema und ihren Protagonisten. Wenn etwa der Wende-Bürgermeister des Ostberliner Stadtbezirks Treptow von seinem Karriereende berichtet, wenn der Sachse Dieter Bartsch schildert, wie er die Wohnung einer „rübergemachten“ Familie geknackt und statt einer Anzeige einen Mietvertrag bekommen hat, wird klar, wie anarchisch dieses Jahr war, wie anstrengend und beglückend. Und: Endlich kommen auch mal Westler zu Wort, denen die Invasion nach dem Mauerfall unglaublich auf die Nerven ging. Sieht man die Archivbilder von hortenden Ostlern und Trabikolonnen, die durch den Odenwald rattern, wird dies mehr als verständlich. Genützt hat das Klagen nichts. Kein Jahr später wird Deutschland unter Kohl wiedervereinigt.

Wenn der Film auflistet, wie viel Wahlkampfhilfe zur ersten freien Wahl am 18. März 1990 in den Osten geflossen ist – von den über sieben Millionen D-Mark mehr als die Hälfte an die Allianz für Deutschland, also die Union –, weiß man, wie es zu diesem beklemmend deutschtümelnden Auftritt vor dem Reichstag kommen musste. Das Gute an „Damals in der DDR“ ist, dass den Protagonisten ihr Leben und ihre Geschichte belassen werden, dass der Blick auf das, was später kam, sensibel ausgeblendet wird. Ungutes gibt es aber auch zu vermelden: Udo Lindenberg singt noch immer die Titelmelodie. ANJA MAIER

Teil 2: 26. 9., Teil 3: 28. 9., jeweils 21.45 Uhr