RASSISMUS IN NEW ORLEANS: DIE STADT MUSS DIE INITIATIVE ERGREIFEN
: The Big Disneyland

Als der Hurrikan „Katrina“ New Orleans verwüstete, zeigten die Bilder das böse Gesicht des Rassismus in den USA. Fast alle, die sich nicht rechtzeitig hatten retten können, waren schwarz. Auf neusten Bildern aus New Orleans sind die ersten Rückkehrer zu sehen. Es sind zumeist Weiße. Die schmerzhafte Rassismus-Debatte, die „Katrina“ den USA bescherte, geht damit in ihre zweite Runde.

Zwar bemüht sich das politische Establishment der USA, den Rassismus-Vorwurf zu entkräften. Doch laut einer Gallup-Umfrage glauben nach wie vor fast zwei Drittel der schwarzen US-Amerikaner – aber nur 12 Prozent der Weißen –, dass die Hautfarbe der Betroffenen ausschlaggebend war für das viel zu späte Anlaufen der Katastrophenhilfe. Im Bemühen, die Initiative doch wieder an sich zu reißen, versprach Präsident George Bush nun in einer Rede auch den Armen – sprich: Schwarzen – Hilfe. Ob aber die am stärksten von der Überflutung betroffenen Stadtviertel, die schwarzen Viertel nämlich, wieder aufgebaut werden, darüber äußerte er sich nicht. Und das liegt womöglich nicht nur an der Kostenfrage. So mancher aus der zumeist weißen Bürgerschicht freut sich nun, dass mit den Flüchtlingen aus den Armutsvierteln auch viele der Kriminellen und Drogendealer aus der Stadt verschwunden seien.

In dieser Situation hängt alles davon ab, dass die Stadt selbst die Initiative ergreift. Mit den Wiederaufbaugeldern muss sie nicht nur etwas vom alten New Orleans wiedererstehen lassen, wozu eben auch die schwarzen Stadtteile gehören, die einst etwa einen Louis Armstrong hervorgebracht haben. Jetzt gilt es, die Chance zu ergreifen und ein besseres, weniger von Armut, Rassismus und Kriminalität geprägtes New Orleans entstehen zu lassen. Die Stadt muss investieren, anständige Schulen und Wohnungen schaffen, damit die Bewohner dieser Viertel eine ökonomische und soziale Perspektive erhalten. Sonst wird von „Big Easy“, der großen leichtlebigen Stadt, nur ein historisierendes Disneyland übrig bleiben. Hübsch anzusehen, gut fürs Gewissen und vor allem fürs Geschäft, aber ohne Seele. NICOLA LIEBERT