Regionalize it?

Die taz-Lokalteile in Bremen und Hamburg werden jetzt doch nicht durch eine Regionalausgabe taz nord ersetzt. Vorerst nicht: Denn bis zum Frühjahr 2006 muss ein Konzept gefunden werden, das die Defizite der beiden Betriebsstätten neutralisiert

„Wie schaffen wir es, taz zu bleiben und Zukunft zu haben?“

von MARTIN REICHERT

Plakate mit der Aufschrift „Noch ist Bremen nicht verloren“, Buttons mit dem Slogan „taz hamburg muss sein“: Im Berliner Ver.di-Haus herrschte anlässlich der ordentlichen Generalversammlung der taz-Verlagsgenossenschaft am Wochenende aufgekratzte Stimmung. „Es geht um die eine taz“, mahnte Chefredakteurin Bascha Mika, wohl wissend, dass die vom taz-Vorstand zum Jahreswechsel beschlossene Schließung der Lokalredaktionen Hamburg und Bremen zugunsten einer überregionalen taz nord die Leser und Macher vor Ort hart trifft: „Wie schaffen wir es, taz zu bleiben und gleichzeitig eine wirtschaftliche Zukunft zu haben?“

Die Generalversammlung hat diese Frage zunächst mit einer Bitte um Bedenkzeit beantwortet, indem sie dem gemeinsamen Antrag von taz hamburg und taz bremen auf ein Moratorium zugestimmt hat. Die lokalen Fenster in Hamburg und Bremen sollen bis zum Ende des ersten Quartals 2006 offen bleiben. Bis dahin soll versucht werden, eine gemeinsame Lösung von Geschäftsführung, Vorstand, Chefredaktion und den Betriebsstätten zu entwickeln, die geeignet ist, eine mit Entlassungen verbundene Schließung abzuwenden. Der vonseiten des Berliner Betriebsrats gestellte Antrag, weder die Lokalseiten in Hamburg und Bremen noch die Standorte Bochum und Köln zu schließen, wurde aber abgelehnt.

Der mitunter schmerzhaften Auseinandersetzung war zunächst eine Konfrontation mit harten Zahlen vorausgegangen. Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch wartete damit in Form von Balken-Grafiken auf, die von manchem Teilnehmer als erschlagend empfunden wurden: die Erfolge des Haupthauses drohen zunehmend von den Verlusten der Regionalteile überrundet zu werden, im Falle von Hamburg und Bremen stand alleine für dieses Jahr ein Defizit von rund 231.000 Euro im Raum: „Die Kosten von Bremen und Hamburg sind so hoch, dass der Erlös sämtlicher Abos aus Hamburg und Bremen zu ihrer Finanzierung benötigt wird. Damit tragen diese Abos keinen Cent zur Erstellung der überregionalen taz bei. Das geht nicht. Es handelt sich nicht nur um ein Kostenproblem, sondern um ein Erlösproblem, die Subvention durch das Haupthaus ist schlicht zu hoch.“

Sven-Michael Veit, Redaktionsleiter der taz hamburg, konterte mit neuen Zahlen. Der Verlust konnte durch Akquise von Soli-Abos und Anzeigen bereits auf 180.000 Euro gedrückt werden. Er versprach: „Wir kommen auf Plan.“ Klaus Wolschner zeigte sich in punkto Kosten auch für Bremen optimistisch, nicht zuletzt aufgrund der „unglaublichen Solidarität“, die der Redaktion vor Ort zuteil werde. Wolschner kritisierte, dass in bisherigen Gesprächen und Planungen nie die Rede von einer taz nord unter Ausklammerung der lokalen Fenster die Rede gewesen sei, und verwies darauf, dass die meisten Bremer LeserInnen ihr Abonnement gerade wegen des Lokalteils hielten: „Hamburg und Bremen dichtmachen, und die Abo-Kurve bleibt stabil? – Quatsch!“

Massiv kritisiert wurde zudem das Wie der Auseinandersetzung. In Bremen und Hamburg habe man zum Teil aus der Zeitung von der geplanten Schließung erfahren, zum Teil vom Betriebsrat. Die neu gewählte Aufsichtsrätin Adrienne Goehler, Exkultursenatorin und im gelernten Beruf Psychologin, wunderte sich dementsprechend, dass im Verlauf des Konflikts um Hamburg und Bremen nicht ein einziges Mal das Instrument der Mediation angewandt wurde.

Karl-Heinz Ruch nahm die Entscheidung der Versammlung zugunsten eines Moratoriums mit Ernst zur Kenntnis: „Ja, wir werden uns mehr Zeit lassen. Wenn man die Lokalteile 24 Jahre mitgetragen hat, gerechnet haben sie sich ja in der Tat nie, kann man das auch noch drei Monate lang tun.“ Ruch fürchtet jedoch, dass eine Diskussion, die mit unterschiedlichen Ausgangspunkten geführt wird, schwierig sein könnte: „Es geht nicht um die Zahlen von 2005, sondern um ein strukturelles Problem. Es geht um die Frage: Wo liegt die Zukunft der taz?“