Grenzchaos beendet

Palästinenser: Lage an Grenze zwischen Gaza und Ägypten unter Kontrolle. Israels Premier droht Hamas

JERUSALEM taz ■ Im Schatten des ersten Zwischenfalls an der Nordgrenze von Gaza seit dem Abzug, bei dem israelische Soldaten aus Gaza beschossen wurden, scheint das Chaos an der Grenze zwischen Gaza und Ägypten vorläufig beendet. Die aufgestockte ägyptische Grenztruppe und über 2.000 palästinensische Polizisten an der „Philadelphia-Linie“ haben die Durchbrüche versiegelt und den Grenzverkehr unter Kontrolle gebracht.

Dies bestätigten gestern israelische und palästinensische Quellen. „Man kann die Menschen aber nicht einsperren, und der Grenzübergang von Rafah muss so schnell wie möglich geöffnet werden“, sagte der palästinensische Minister Sofian Abu Zayda. Israels Ex-Vize-Geheimdienstchef Ofer Dekel hofft, dass „die Ereignisse der letzten Tage vor allem die Ägypter so weit unter Druck setzen werden, dass die Grenze immer dichter wird.“

Seit dem Abzug israelischer Truppen aus Gaza am 12. September waren tausende Palästinenser zwischen den auf palästinensischer und ägyptischer Seite liegenden Teilen der palästinensischen Stadt Rafah durch die Kontrollpunkte geströmt und über die Absperrungen geklettert. Die 200 Mann starke Vorhut der ägyptischen Einheit, die die Grenze zu Gaza kontrollieren soll, war überfordert.

Für Israel schien sich eine der größten Befürchtungen zu bestätigen: Die Grenze von Ägypten als Durchlasspforte für Terroristen und Waffen nach Gaza. Am Samstag wurde gemeldet, Katjuscha-Raketen sowie Flugabwehrraketen seien nach Gaza geschmuggelt worden. Israelische Sicherheitskreise bestätigten den Schmuggel nur für hunderte Gewehre und Munition.

Unterdessen hat in Israel und den palästinensischen Gebieten der Wahlkampf begonnen. Israels Premier Ariel Scharon wird seit seiner als gemäßigt gewerteten Rede vor der UNO-Vollversammlung am vergangenen Donnerstag von seinem Widersacher Benjamin Netanjahu heftig angegriffen. Netanjahu wirft ihm vor, er sei von der Likud-Linie abgewichen und plane die Gründung einer neuen Partei, um sein politisches Überleben zu sichern. Netanjahu strebt bei der Sitzung des Zentralkomitees der Likud-Partei am 26. September an, die Wahl des Parteichefs vorzuziehen.

Die israelischen Parlamentswahlen sind für November 2006 vorgesehen. Scharon droht derweil, die für Januar geplanten Parlamentswahlen der Palästinenser durch Behinderung des Wählerverkehrs im Westjordanland zum Scheitern zu bringen, falls die Hamas daran teilnehmen werde, ohne ihre Waffen abgegeben zu haben. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hatte versichert, seine Behörden würden illegale Waffen einsammeln und damit bei den eigenen Fatah-nahen Gruppen beginnen. Dies würde anderen Gruppen signalisieren, „dass der Prozess ernst gemeint“ sei.

MAURICE TSZORF