AMERICAN PIE
: He’s so lucky

FOOTBALL Mit Quarterback Andrew Luck könnte aus den Indianapolis Colts wieder ein Spitzenteam werden

Wahrscheinlich hätte aus Andrew Luck ein ganz guter Fußballspieler werden können. In seiner Kindheit hat er viel gekickt, damals in Frankfurt und Düsseldorf. Aber dann, der kleine Andrew war elf Jahre alt, ging seine Familie zurück in die USA. Und alles kam anders. Luck spielt zwar immer noch Fußball, aber die sehr amerikanische Variante. In der aber hat er sich ganz gut entwickelt: Der 22-Jährige ist wohl das größte Quarterback-Talent, das die NFL seit Jahren gesehen hat.

Nach einigen herausragenden Jahren im College-Football ist Luck der Übergang zu den Profis überraschend gut geglückt. Wie gut, das demonstrierte Luck am vergangenen Wochenende: Insgesamt 433 Yards Raumgewinn für die Indianapolis Colts erwarf er mit seinen Pässen, ein neuer Rekord für Liga-Neulinge. Viel wichtiger: Am Ende stand ein 23:20-Sieg gegen die Miami Dolphins, bereits der fünfte in diesem Jahr für die Colts, die nun zur Saisonhalbzeit in der NFL sehr gute Chancen haben, die Playoffs zu erreichen.

Das ist eine große Überraschung. Vor Saisonbeginn wurde Indianapolis wie schon in der vergangenen Spielzeit zugetraut, wieder die schlechteste Mannschaft in der NFL zu werden. 2011 gewann man nur zwei von 16 Spielen, und auch dieses Jahr schien man auf dem besten Weg zu einer ähnlichen Bilanz. Nach einem Erfolg und zwei Niederlagen wurde dann auch noch bei Chuck Pagano Leukämie diagnostiziert. Doch während der Cheftrainer seine Chemotherapie absolviert, legte seine Mannschaft unter Interimscoach Bruce Arians eine völlig unerwartete Siegesserie hin.

Für die ist vor allem Luck verantwortlich, der nach schwächerem Saisonbeginn nun immer besser wird. Schon im College, wo er für Stanford spielte, war Luck herausragend, viele Experten verglichen ihn mit Peyton Manning. Lucks Vorgänger als Spielmacher der Colts war wohl der beste Quarterback der vergangenen Jahre. Tatsächlich vereint der 1,93 Meter große und 106 Kilogramm schwere Luck alle physischen Eigenschaften, die man auf der Position des Quarterback benötig. Neben den körperlichen Fähigkeiten besitzt er den Fleiß, die komplexen Spielsysteme zu pauken und die Videoaufnahmen gegnerischer Mannschaften zu analysieren, und behält auf dem Spielfeld Ruhe und Übersicht selbst im Angesicht durchtrainierter Muskelberge, die auf ihn zustürmen.

Nicht zuletzt gilt Luck als charakterlich ausreichend gefestigt, das Millioneneinkommen und die öffentliche Aufmerksamkeit, die mit einem Quarterback-Job in der NFL einhergehen, zu verdauen. Darauf vorbereitet wurde Luck bereits in seiner Kindheit. Vater Oliver war selbst ein guter College-Quarterback und spielte fünf Jahre in der NFL, konnte sich bei den Houston Oilers aber nie durchsetzen. Erfolgreicher verlief seine Karriere als Football-Funktionär: Von 1991 bis 2000 war Luck zuerst Manager der Frankfurt Galaxy, dann von Rhein Fire Düsseldorf und später Boss der NFL Europe, des 2007 eingegangenen Ablegers der Football-Liga.

Der in Washington geborene Andrew war drei Jahre alt, als sich die Familie nach Europa aufmachte. Später folgten Besuche bei der in Karlsruhe lebenden Oma. Deshalb spricht Andrew gut Deutsch – wenn er überhaupt spricht: Seit ihn die Indianapolis Colts als ersten Spieler beim Draft, der alljährlichen Talentlotterie, ausgewählt haben, versucht Andrew Luck den Hype um seine Person durch einen freundlichen, aber sehr wortkargen Umgang mit den Medien klein zu halten.

Das ist kein so einfaches Unterfangen, schließlich haben die Colts den Klubheiligen Peyton Manning zu den Denver Broncos ziehen lassen, um ihre Zukunft in die Hände von Luck zu legen. Mancher Colts-Fan warf nervöse Blicke nach Denver, wo der 36-jährige Manning nach einer einjährigen Verletzungspause fast so gut spielt wie in seinen besten Tagen. THOMAS WINKLER