LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Der echte, der mutige Trumbo

betr.: „Afghanistan reloaded: Trumbo“, taz vom 23. 8. 17

So witzig die Schlagzeile „Trumbo“ war, so sehr tat sie auch weh – erinnert sie doch an Dalton Trumbo, einen der größten Drehbuchautoren aller Zeiten. Als Mitglied der „Hollywood Ten“ weigerte er sich 1947 vor dem House Committee über „Un-American Activities“ auszusagen. Er kam ins Gefängnis und wurde auf die Schwarze Liste der von Ronald Reagan geführten Screen-Writers’-Gewerkschaft gesetzt. Sein eigener Name als Drehbuchautor kam erst 1960 im Vorspann der Filme „Spartacus“ und „Exodus“ vor. Die Zeit der Schwarzen Liste wurde damit beendet.

PEGGY JANDA-MAIER, Frankfurt a. M.

Die Revolution kommt von „oben“

betr.: „Maschinen zerstören“, taz vom 10. 8. 17

Ludditen haben damals nichts gegen die industrielle Revolution erreicht. Und welche Maschinen würden sie heute zerstören? Vielleicht die Server-Farmen von Facebook oder von Amazon? Oder lieber die Windturbinen, die den Strom für die Server liefern? Wenn man versucht, Marx in die Gegenwart zu transportieren und anzuwenden, stellt man fest, dass seine Theorie auf dem Kopf steht – die Revolution kommt nicht von „unten“, von der „Arbeiterklasse“ (Neudeutsch: „Human Resources“), sondern von „oben“, von den Konzernen, durch die digitale Revolution – die wiederum langfristig Vollautomatisierung und Robotisierung der Herstellungsprozesse bedeutet!

Was kommt, wird Kapitalismus in purer Form des menschenlosen Kapitals sein – was sich Marx gar nicht vorstellen konnte.

Die größte, weltbewegende Erfindung unserer Zeit ist die Entkopplung der materiellen und immateriellen Wirtschaft, der Finanzmärkte mit ihren spekulativen „Produkten“ von der Realökonomie.

Der Kapitalismus erwies sich als sehr anpassungsfähig, er erscheint in ständig mutierender Variante. Die Substitution der menschlichen Arbeit durch Technologie ruft ein Dilemma hervor, das bis jetzt noch keine Gesellschaft lösen konnte.

Dazu schrieb der italienische Medientheoretiker Franco Berardi in seinem Buch „After the future“: „Heutzutage müssen wir die Idee akzeptieren, dass sich der Finanzkapitalismus ohne soziale Erholung erholen und gedeihen kann. Die Erholung des Finanzprozesses von der Wertsteigerung des Kapitals ist vom Zyklus der materiellen Produktion und von der sozialen Nachfrage völlig getrennt. Der finanzielle Kapitalismus erreichte Autonomie von gesellschaftlichem Leben“.

Am Ende könnte man sagen, wie Mark Fisher in „Capitalist realism“ von 2009: „Es ist leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus.“ IGOR FODOR, München

Alarmstufe Rot: Erzieherinnen

betr.: „Mehr Lohn könnte helfen“, taz vom 21. 8. 17

Gut, dass die taz dieses aktuelle und dringende Thema des Mangels an Erzieherinnen und Erziehern in Berlin und ihrer miserablen Bezahlung aufgreift.

Weder die SPD noch die Grünen haben sich langfristig für eine angemessene Bezahlung für Erzieherinnen und Erzieher eingesetzt, noch für die Auslastung der sehr gut ausgestatteten staatlichen Schulen.

Sie haben stattdessen die vielen privaten Ausbildungsstätten (fast 40 Schulen) massiv gefördert, um mehr Leute auszubilden, aber dabei nicht bedacht, dass die Qualifikation im Wesentlichen bei den fünf staatlichen Schulen liegt, denn diese entwickeln die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen und haben dafür gut ausgebildete LehrerInnen und Lehrer, die allerdings wohl zum Teil demnächst trotz Lehrermangels in Berlin in andere Bundesländer weiterziehen werden.

Die SteuerzahlerInnen bezahlen die Privaten also praktisch komplett, verlangen von ihnen keine Qualitätsstandards, der Senat lässt seine staatlichen Schulen ausbluten, und die Privaten haben unter den Studierenden den Ruf, dass man dort leichter Examen machen könnte.

Leider kein Wort in Ihrem Artikel über die vielen neuen „Hilfs­erzieherinnen“, die auf die Schnelle ausgebildet werden. Sie tragen zusammen mit den Examinierten zum Teil die gleiche Verantwortung, werten aber den Beruf weiter ab. Auch die berufsbegleitende Ausbildung ist sehr hart, aber keineswegs zufriedenstellend geregelt – für alle Beteiligten.

Nach vielen Streiks gibt es in Berlin immer noch keine Bezahlung, die dem Tarifvertrag der Länder und dem Niveau der umliegenden Bundesländer entspricht. Der Konflikt ist also steuer- und veränderbar und nicht „vom Himmel gefallen“.

Der Titel: „Mehr Lohn könnte helfen“ wirkt m. E. bei dem gravierenden Gehaltsunterschied im Bildungsbereich zwischen ErzieherInnen und LehrerInnen in der Wortwahl verharmlosend. Das Gehalt ist einfach nicht existenzsichernd. Die Politik muss schnellstens handeln. HILLA METZNER, Berlin

Nicht die 5-vor-12-Fee anrufen!

betr.: Leserbrief „Himmel, hilf!“ von Dieter W. Müller, taz vom 21. 8. 17

Liebe taz, bitte (!!!!) der Bitte (!!!) von Dieter Müller nicht entsprechen! Er hat die gnadenlos-satirische Wirkungsmacht der Fünf-vor-zwölf-Fee verdrängt, die Wünsche der Protagonisten immer böswillig zu missdeuten und so noch schlimmere Zustände zu erzeugen. Sie würde wahrscheinlich den Wunsch von Dieter Müller erfüllen, indem sie zwar die CSU nicht, dafür aber die AfD an der nächsten Regierung beteiligt. Das will er bitte nicht!

HEINER ANDRESEN, Hamburg