Bundeswehr Die jungen Soldaten, die bei einer Übung kollabierten, mussten zuvor Strafmärsche absolvieren
: Härter als gedacht

Klettert noch: Soldat in Ausbildung auf der Hindernisbahn Foto: F.: picture alliance

von Tobias Schulze

Aufputschmittel waren es nicht: Nach dem Tod eines Offiziersanwärters im Anschluss an einen Übungsmarsch haben Ermittler der Bundeswehr entgegen anderslautender Berichte keine Hinweise auf verbotene Substanzen gefunden. Dafür fanden sie heraus, dass die Marschübung am 19. Juli im niedersächsischen Munster härter war als bisher bekannt. Das geht aus einem Zwischenbericht des Verteidigungsministeriums an den Bundestag hervor, über den zunächst die Rheinische Post berichtete und der der taz vorliegt.

Vier Soldaten seien bei leichten Eingewöhnungsmärschen kollabiert, hatte die Bundeswehr bisher angegeben. Die Übung sollten sie mit leichtem Gepäck und ohne Zeitvorgabe absolvieren. Ziel sei gewesen, sie schrittweise an körperliche Belastungen heranzuführen. In der Grundausbildung ist ein solcher Marsch über wenige Kilometer für den ersten Ausbildungsmonat vorgesehen. Das Pensum soll für den Anfang reichen, nach wenigen Wochen in der Armee sind schließlich nicht alle Soldaten schon richtig fit.

Am 19. Juli sollte der Eingewöhnungsmarsch im Gelände beginnen, etwas mehr als drei Kilometer von der Kaserne entfernt. Nach dem Transport zum Startpunkt stellten die Ausbilder aber fest, dass 29 der 43 Offiziersanwärter nicht ihre komplette Ausrüstung dabei hatten. Um die fehlenden Gegenstände zu holen, mussten sie „stellenweise im Laufschritt“ zur Kaserne und zurück marschieren und zwischendurch Liegestütze machen. Nach einer Pause folgte am Nachmittag der eigentliche Eingewöhnungsmarsch.

Der später im Krankenhaus verstorbene Soldat brach nach rund drei Kilometern des Marsches am Vormittag zusammen, drei weitere Soldaten kollabierten am Nachmittag. Einer von ihnen befindet sich – einen Monat später – noch immer im kritischen Zustand. Sieben weitere Offiziersanwärter waren ebenfalls benommen oder klagten über Schmerzen.

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg, die den Vorgang prüft, teilte inzwischen ein erstes Obduktionsergebnis mit. Eine Sprecherin der Behörde sagte der taz, die Todesursache des verstorbenen Soldaten sei ein „Multiorganversagen in Folge einer Sepsis“. Laut Michael Bauer, Professor am Sepsis-Zentrum der Uniklinik Jena, könne die Anfälligkeit für eine solche Erkrankung steigen, „wenn man sich bei einem Marsch komplett verausgabt hat und den Körper damit einem extremen Stress ausgesetzt hat“. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte am Freitag, er warne vor voreiligen Schlüssen. Ob der Extramarsch für die Erkrankungen „kausal war, ob er mitursächlich war oder einer von vielen Faktoren“, sei noch nicht klar.

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