SOUNDTRACK

Dass Thomas Pridgen einst bei Omar Rodríguez-López’ und Cedric Bixler-Zavalas Experimental-Progrock-Wunderkammer The Mars Volta getrommelt hat, bis deren wankelmütig-egozentrisches Mastermind den Ausnahmedrummer vor drei Jahren nach Differenzen hinausgeworfen hat, hört man auch seinem aktuellen Projekt The Memorials deutlich an. Nicht ganz so prall gefüllt ist die Stil-Wundertüte diesmal, deutlicher zur Geltung kommt dafür, wer was hineingeworfen hat: Das Trommel-Wunderkind wirbelt virtuos zwischen Prog-Funk, Mathe- und Schweinerock hin und her, das Herz von Gitarrist Nick Brewer schlägt seit langem schon vor allem für soliden Metal, weiß aber auch mit Jazz und Psychedelischem durchaus etwas anzufangen und dass Viveca Hawkins andernorts eigentlich Soul, R&B und Hip-Hop singt, unter anderem mit MF Doom und Talib Kweli zusammengearbeitet und im letzten Jahr ihr ebenfalls vor allem souliges Solo-Debüt „Chips“ veröffentlicht hat, ist ebenfalls unüberhörbar. Am Mittwoch präsentiert das ungleiche kalifornische Trio sein zweites Album „Delirium“, deutlich mehr Fusion-Anteil ist darauf nun zu finden. „Dream“ etwa spielt ausgelassen mit Streichern, Drum’n’Bass-Beats und Wobble-Bässen, „Fluorescent’s Unforgiving“ überrascht mit Jazz-Trompeten-Solo, „So Anti Me“ wiederum setzt hinter 80er-Headbanger-Riffs plötzlich sanft gezupfte Lounge-Sounds. Funktioniert aber weiterhin insbesondere für Hardrocker, denn hinter dem mit Pop-Appeal aufgebürsteten Crossover steckt vor allem: passionierte Intensität. Mi, 14. 11., 21.30 Uhr, Hafenklang, Große Elbstraße 84

Ein Stück über Verdauungsprobleme, die zur Liebe für einen mexikanischen Fast-Food-Kellner führen, eins über ein schlechtes Gefühl beim Lesen von Anna Karenina, eins über Möchtegern-Wikinger, eine Ode an Mary Shelleys Frankenstein oder eine Hommage an den Arsch. Nur eine Regel hat Phoebe Kreutz hinsichtlich der Sujets für ihre charmant-bösartigen und selbstbewusst-dilletantischen Minimal-Pop-Kompositionen: Niemals über eigene Gefühle singen. Als Königin des „Joke Folk“ wird die als Puppenbeauftragte der US-amerikanischen Sesamstraße schon zu Emmy-Ehren Gekommene ganz zu Recht gehandelt: Einen abseitigeren und skurrileren Humor als beim geistigen „Kind von Joan Baez und Weird Al Yankovic“ sucht man in New Yorks Antifolk-Szene jedenfalls vergeblich. Am Mittwoch ist sie in der Hasenschaukel gemeinsam mit Matt Colbourn zu Gast, der nicht nur für Duette zur Seite steht, sondern auch Trompete beisteuert. Wer charmant im Halse stecken bleibendes Lachen zu schätzen weiß, sollte sich das nicht entgehen lassen. Mi, 14. 11., 21 Uhr, Hasenschaukel, Silbersackstraße 17

Sechs Jahre lang hat Dirk Dresselhaus alias Schneider TM nichts mehr von sich hören lassen, jetzt hat sich der vor allem für filigrane Tanzbarkeit bekannte Elektrobastler mit „Construction Sounds“ zurückgemeldet. Acht Jahre lang hat Dresselhaus während der Gentrifizierungssanierung seines Hauses und Nachbarhauses am Prenzlauer Berg all das Rattern, Rauschen, Sägen, Schleifen, Bohren und Hämmern aufgezeichnet, das er täglich 15 Stunden lang ertragen musste. Nachdem er gemerkt hatte, dass er beim Komponieren ohnehin längst immer nur das betriebsame Lärmen um ihn herum nachgeahmt hat. Und hat aus der Not schließlich eine Tugend gemacht und darin Schönheit erkennen können. Minimal arrangiert und mit ein paar subtilen Flächen aufgehübscht hat Dresselhaus aus all dem Baulärm nach seinem Umzug eine Musique concrète gebastelt, die trotz der Rede vom „Sound der Gentrifizierung“ im Booklet als politisches Statement nicht funktioniert. Als Soundcollage, Industrial Music oder Krach-Experiment will Dresselhaus „Construction Sounds“ aber auch nicht verstanden wissen. Sondern als Solidarität mit dem Lärm und den Lärmenden, als Dokument einer schönen Musik, deren Ästhetik sich eben erst nach Monaten des Lärms erschließt. So, 11. 11., 21 Uhr, Golden Pudel Club, Am St. Pauli Fischmarkt 27 ROBERT MATTHIES