Auf dem Weg nach Kopenhagen

Die neue Bewegung für Klimagerechtigkeit mobilisiert zum UN-Klimagipfel

„Es ist das strategische Ziel der Deutschen Bank, dass künftig weltweit jede Transaktion eines Emissionshandelszertifikats über die Konten der Deutschen Bank abgewickelt wird“, sagte kürzlich ein Repräsentant von Deutsche Bank Research bei einer Konferenz über transatlantische Klimapolitik in Berlin.

Dass sich das Terrain von Klimapolitik in den letzten Jahren verschoben hat, deutet diese Positionierung an: Die Klimakrise ist für viele Unternehmen zu einem guten Geschäft geworden. Das Resultat sind technische Bearbeitungsstrategien, die von den Aktiven der neuen Bewegung für Klimagerechtigkeit als „falsche Lösungen“ kritisiert werden.

Darunter fallen insbesondere der Emissionshandel, Agrosprit und CCS. Diese Restrukturierung des klimapolitischen Feldes und die spürbare Verschärfung der konkreten Folgen der Klimakrise insbesondere im Süden sind Auslöser für die Entstehung neuer Akteure und Netzwerke. Ihr Ziel: die Klimakrise als eine Frage sozialer Gerechtigkeit zu verstehen und aus diesem Blickwinkel Lösungen zu erstreiten. „Aus unserer Perspektive von Klimagerechtigkeit haben wir zwei Gegner: diejenigen, die das fossile Energiesystem konservieren wollen, und die, die auf die Klimakrise mit marktbasierten und sozial völlig ungerechten Mechanismen reagieren“, stellt Stine Gry von der dänischen Gruppe Klima-Kollektiv fest.

Zum ersten Mal wird es beim dem Klimagipfel in Kopenhagen daher nicht nur Demonstrationen für mehr Klimaschutz, sondern von Seiten sozialer Bewegungen aus Nord und Süd auch Proteste gegen eine UN-Klimakonferenz geben.

Die in dem Netzwerk Climate Justice Action (www.climate-justice-action.org) zusammengeschlossenen Organisationen und Gruppen fordern eine „neue Agenda der Klimagerechtigkeit“. Denn aus ihrer Sicht kann die Klimakatastrophe nur mittels sozialer und demokratischer Lösungen eingedämmt werden. Dazu zählt vor allem, dass fossile Ressourcen demokratisch kontrolliert und letztlich im Boden belassen werden müssen, anstatt einen Emissionshandel zu installieren, der „end of pipe“ ansetzt und die Taschen einer aufstrebenden CO2-Finanzindustrie füllt.

So setzt sich die globale KleinbäuerInnen-Organisation Via Campesina (http://viacampesina.org) für Ernährungssouveränität sowie Landreform und gegen eine CO2-intensive agro-industrielle auf internationalen Handel ausgerichtete Landwirtschaft ein. Und viele Gruppen aus dem Süden erheben vehement die Forderung nach der Zahlung von Reparationen durch die Länder des Nordens an den Süden angesichts der ökologischen Schulden, die durch die jahrzehntelange Emission von Treibhausgasen angehäuft wurden.

Das Konzept der Klimagerechtigkeit wird von neuen Akteursnetzwerken getragen. Climate Justice Now! (CJN! – www.climate-justice-now.org) als internationaler Zusammenschluss spielt dabei eine herausragende Rolle. Diese Struktur entstand während der Klimakonferenz in Bali im Dezember 2007 als Abspaltung von dem Climate Action Network (CAN). Dieses wird vor allem von den großen NGOs wie WWF, Sierra Club oder Greenpeace geprägt, die das Kioto-Protokoll mit dem Emissionshandel als alternativlos unterstützen.

CJN! hingegen ist wesentlich von sozialen Bewegungen aus dem Süden geprägt, die schon lange beim Umgang mit der Biokrise, das heißt der Kombination von Klimakrise, Verlust von Biodiversität, Wasservernutzung und so weiter die Frage sozialer Gerechtigkeit in den Vordergrund stellen. An Macht gewinnt der Klimagerechtigkeitsdiskurs zudem durch die erstarkten indigenen Bewegungen. Parallel dazu hat sich in der aktivistischen Szene im Norden – ausgehend von Großbritannien – eine Klimacamp-Bewegung in fast einem Dutzend Länder entwickelt.

In Kopenhagen wird es daher von Bewegungsseite zu neuen Konstellationen, Bruchlinien und Aktionen kommen – inklusive ungehorsamer Aktionen. Denn für die neue Klimagerechtigkeitsbewegung steht fest, dass die meisten der dort versammelten Regierungen eher das Problem als die Lösung der Klimakrise darstellen.

ALEXIS PASSADAKIS

■ Der Autor ist aktiv bei Attac und der Berliner Gruppe Gegenstrom (www.gegenstromberlin.net)