’tschuldigung Deutschland, war nicht so gemeint

Diplomatie Türkische Regierung zieht Liste zurück, die es ursprünglich nicht gegeben haben soll

Erdoğan nannte Ermittlungen gegen deutsche Firmen eine Lüge Foto: ap

BERLIN taz | Hat sich der Druck aus Berlin schon ausgezahlt? Vier Tage nach der Ankündigung von Außenminister Sigmar Gabriel, den Kurs gegenüber der Türkei zu verschärfen, hat die Regierung in Ankara reagiert: Innenminister Süleyman Soylu versicherte seinem Amtskollegen Thomas de Maizière am Montag in einem Telefonat, dass die türkischen Behörden nicht gegen deutsche Unternehmen ermittelten. Eine Liste vermeintlich verdächtiger Firmen zog die türkische Polizei nach Angaben aus Berlin zurück.

Die Liste hatte in der vergangenen Woche die Kurskorrektur der Bundesregierung mitausgelöst. Die türkische Polizei hatte sie schon Mitte Mai über Interpol an das BKA gesandt. Verzeichnet waren knapp 700 deutsche Unternehmen – von Daimler über BASF bis hin zu einem Döner-Imbiss in Nordrhein-Westfalen. Sie waren nach Angaben des deutschen Innenministeriums im Visier der türkischen Behörden, weil sie Geschäftsbeziehungen zu Firmen in der Türkei unterhielten, die dort der Terrorunterstützung beschuldigt werden. Die türkische Polizei habe die deutschen Kollegen um Informationen zu den Unternehmen gebeten. Diese habe diesen Wunsch aber nicht erfüllt – allein schon, weil das Hilfsersuchen nicht konkret genug formuliert gewesen sei.

Wochenlang lag die Anfrage demnach unbeantwortet beim BKA. In der vergangenen Woche erfuhr dann die Zeit von ihr und berichtete, dass die verzeichneten Firmen „den Türken als Terrorunterstützer“ gälten. Nur einen Tag später, am Donnerstag, verkündete Gabriel in Berlin die deutsche Kursänderung: Weil „Unternehmen in die Nähe von Terroristen gerückt“ würden, müsse die Bundesregierung die Vergabe staatlicher Exportkreditversicherungen für Türkeigeschäfte überdenken.

Die türkische Regierung dementierte die Existenz der Liste zunächst. Dann aber, am Samstag, zog die türkische Polizei ihr Hilfsersuchen nach deutschen Angaben zurück. Im Telefonat am Montag soll Innenminister Soylu von „Kommunikationsproblemen“ gesprochen haben, Ermittlungen gegen die Unternehmen gebe es nicht. „Wir nehmen das als Klarstellung zur Kenntnis“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Berlin nach dem Gespräch.

Unklar ist, was das Telefonat für die Zukunft der Kreditversicherungen bedeutet. Die sogenannten Hermesbürgschaften, die für exportierende Unternehmen extrem wichtig sind, stehen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums „noch auf dem Prüfstand“. Bezüglich der Investitionssicherheit herrsche unter deutschen Unternehmen noch immer „große Unsicherheit“.

„Wir nehmen das als Klarstellung zur Kenntnis“

Sprecher des Innenministeriums

Das Auswärtige Amt betonte, dass vergangene Woche nicht nur die Unternehmensliste zum Umdenken der Bundesregierung geführt hatte, sondern „verschiedene Vorgänge, ganz konkret die Verhaftung deutscher Staatsbürger“. Ganz konkreter Auslöser war auch, dass der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner in Untersuchungshaft genommen worden war. Dessen Anwälte haben inzwischen Einspruch gegen die Haft eingelegt. Sie rechnen mit einer Entscheidung bis spätestens Dienstag. Tobias Schulze