Lieber kein Begrüßungsküsschen

SCHWEINEGRIPPE Die Berliner Gesellschaft Türkischer Mediziner klärt in Moscheen über die Krankheit auf

Der Arzt rät den Moscheebesuchern, sich vor einer Pilgerfahrt nach Mekka unbedingt impfen zu lassen

Einmal wird sie gestellt, die Frage nach einem Zusammenhang zwischen der Schweinegrippe und dem Verzehr von Schweinefleisch – aber eher mit einem Augenzwinkern und um klargestellt zu haben: Nein, kein Schweinefleisch zu essen schützt vor der Schweinegrippe nicht. In der Moschee „Haus der Weisheit“ in Moabit hält man es aber eher für ein Gerücht, dass es diese absurde Annahme unter Muslimen tatsächlich gegeben habe. Die hier nach dem freitäglichen Mittagsgebet versammelten Muslime arabischer, deutscher, US-amerikanischer oder auch indonesischer Herkunft sind gut informiert über die Problemlage.

Die Fragen, die diskutiert werden, unterscheiden sich kaum von denen, die man derzeit auch in der taz-Kantine bespricht. Erstens: „Ist die Impfung zu gefährlich?“ Die zweite dreht sich um den Verdacht, dass hinter dem Hype um die Grippe die Pharmaindustrie stecke.

Vor allem die arabischstämmigen Muslime informieren sich offenbar über das Internet – ganz unabhängig vom Alter. Die meisten hier sprechen mehrere Sprachen: Arabisch, Französisch, Englisch, auch Deutsch – gut genug, um dem medizinischen Vortrag des Moscheegastes zu folgen. Nur wenige Begriffe übersetzt Abdallah Hajjir, Imam der Moschee, ins Arabische.

Der Arzt, der über die Schweinegrippe informiert, rät trotz Nebenwirkungen zur Impfung. Sie sei der beste Schutz, meint Ufuk Balimuhac: „Denn bei allen Mutmaßungen über mögliche Interessen von Pharmafirmen: Die Krankheit gibt es wirklich!“ Der Allgemeinmediziner Balimuhac führt eine Praxis am Kottbusser Tor. Als Mitglied der Berliner Gesellschaft Türkischer Mediziner besucht er derzeit Moscheegemeinden und klärt über die Gefahren der Grippe auf.

Die Fragen in der von arabischen Muslimen gegründeten Moabiter Gemeinde unterschieden sich nicht von denen türkischstämmiger Muslime, sagt Balimuhac, auch nicht von denen seiner deutschen PatientInnen: „Krankheiten achten nicht auf Herkunft oder Religion.“ Spezielle Ratschläge gibt der Arzt aber: etwa den, sich vor Auslandsreisen, insbesondere der Pilgerfahrt nach Mekka, die in diesem Jahr im November und Dezember stattfindet, unbedingt impfen zu lassen. Oder auf das auch unter Männern türkischer und arabischer Herkunft verbreitete Wangenküssen zur Begrüßung zu verzichten. Auch darauf, dass die rituelle Waschung mit Wasser vor dem Gebet, auch wenn sie fünfmal am Tag passiert, nicht das regelmäßige gründliche Reinigen der Hände mit Seife überflüssig macht, weist der Arzt hin.

Das Interesse der Muslime an seinen Tipps ist groß, ebenso die Dankbarkeit für seinen Besuch: „Ich finde das grandios, sehr schön, wunderbar!“, bedankt sich einer der etwa 30 Zuhörer. Die meisten wollen sich nun impfen lassen. ALKE WIERTH