Erfolgsprämie für Drogendeal

URTEIL Relativ milde Strafen für Kokaingeschäft. Landgericht sah Druck durch V-Mann als erwiesen an

Der V-Mann habe die Angeklagten „massiv getrieben“, so der Vorsitzende Richter

Sie organisierten die Einfuhr von knapp 100 Kilo Kokain. Dennoch sprach das Landgericht gestern von einem minderschweren Fall des Betäubungsmittelhandels. Der 51-jährige Hauptangeklagte Namik A. bekam 4 Jahre und 5 Monate, seine vier Gehilfen erhielten zwischen 2 Jahre und 7 Monate bis 4 Jahre Haft.

Seit April 2012 beschäftigten sich die Richter mit diesem Fall. Als „zweitgrößten Fund seit 33 Jahren“ hatten die Fahnder die Kokainlieferung im August 2011 präsentiert. Doch im Laufe des Prozesses wurde deutlich, dass „dem Verfahren ein schwerer Makel anhaftet“, wie der Vorsitzende erklärte: „Die Angeklagten wurden zu ihren Taten erst durch eine rechtsstaatswidrige Provokation gebracht.“ Bei „tatgeneigten Personen“ sei diese zulässig, nicht jedoch bei Unverdächtigen.

Bis Herbst 2009 war Namik A. solch ein unbescholtener Bürger, der von ALG II lebte und stellvertretender Vorsitzender des Kulturvereins Arkadaslar war, der in Charlottenburg ein Café betrieb. Dann ging ein Hinweis auf seinen angeblichen Heroinhandel beim Hannoveraner Zoll ein. Als man A.s Telefon abhörte, sprach dieser von fünfstelligen Geldbeträgen, bezeichnete eine Person als „großen Traktor“ und sein Handy als „nicht sicher“. Die Polizei beschloss, eine Vertrauensperson (VP) auf A. anzusetzen. Im November 2009 erschien VP „Moharrem“ das erste Mal im Café und gerierte sich als reicher Dealer. Im Februar 2010 sprach er A. direkt an. „Bruder, du bist ein starker Mann. Wollen wir nicht zusammen Geld verdienen?“ Er bot A. zunächst ein Heroingeschäft an, doch der zeigte kein Interesse an dem „Dreckszeug“. Die VP schwenkte auf Kokain um und berichtete ihm von einem korrupten Hafenarbeiter namens „Klaus“ – in Wirklichkeit ein verdeckter Ermittler –, der in Bremerhaven Gegenstände aus Schiffscontainern entnehmen könne, bevor der Zoll sie prüfe. A. biss an, er träumte von einem eigenen Hotel. In der folgenden Zeit übte „Moharrem“ mehr Druck auf A. aus, endlich Kokain zu besorgen. Der wollte sich nicht blamieren. Nach monatelanger Suche fand er einen Kontakt nach Südamerika, dann scheiterte der Transport aus Venezuela noch mehrmals.

Dass A. nicht aufgab, schrieben die Richter vor allem „Moharrem“ zu, der von der Polizei eine Erfolgsprämie bekam, deren Höhe das Gericht nie erfuhr. Wären die Angeklagten von der VP nicht „massiv getrieben worden“, so der Vorsitzende, wäre A. für gut 10 Jahre in Haft gekommen, seine Gehilfen für mehr als 7 Jahre. UTA EISENHARDT