WORTWECHSEL
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Regelverletzung?

Menstruation Ein taz-Titelbild hat viele taz-LeserInnen entsetzt, einige erfreut. Reaktionen auf das umstrittene Bild der kopflosen, blutenden Frau

Demütigung der Frau? Authentisch? Befreiender Tabubruch? Voyeuristisch?

Respekt, bitte!

betr.: Titelbild zu „Läuft bei uns“, taz vom 29./30. 7. 17

Das Titelbild bedient wohl eher die Klischeevorstellungen kleiner unerfahrener Jungs von menstruierenden, blutüberströmten Frauen, als dass es zur Enttabuisierung beiträgt. Ich möchte von einer Tageszeitung nicht so platt provokativ und aufdringlich erzieherisch angegangen werden. Ob und, wenn ja, welche Tabus mir wichtig sind, möchte ich weiterhin selbst entscheiden.

Bereits in der Vergangenheit sind mir immer wieder mal die Popokackepipi-Formulierungen einiger AutorInnen der taz unangenehm aufgestoßen – nun also deren Ergänzung durch schlierig fotografiertes Menstruationsblut? Ein bisschen mehr Respekt vor den unterschiedlichen Gefühlen und Einstellungen der taz-Leserinnen und damit auch vor den meinen wünsche ich mir sehr! MARGRIT THIMME, Mülheim

Störender Zyklus

betr.: „Nie wieder Erdbeerwoche, taz vom 29./30. 7. 17

Auch ich bin gegen einen verschämten und verdrucksten Umgang mit dem Thema Regelblutung – auch wenn ich „sagbar“ einfacher als „sichtbar“ finde ... Umso mehr hat es mich irritiert, als eine Bekannte mir erzählte, dass ihre (damals 16- oder 17-jährige) Tochter die Pille ständig nähme. Das würden in ihrem Umfeld alle so machen, und es sei ja auch unpraktisch, zu menstruieren, wenn gerade alle ins Schwimmbad wollen oder in den Urlaub. Das ist vielleicht eher pragmatisch als verschämt, aber letztendlich bedeutet es doch, eine normale Körperfunktion dauerhaft zu unterdrücken und wegzuleugnen. Und ständig Hormone einzunehmen, weil ein normaler Teil des weiblichen Zyklus zu sehr stört, zeugt in meinen Augen auch wirklich nicht von einem selbstbewussten und gesunden Verhältnis zum eigenen Körper. Da hoffe ich, dass die, die selbstverständlich finden, dass die Blutung alle vier Wochen zu ihnen gehört, in der Überzahl sind. STEPHANIE DINKELBACH, Köln

Effekthascherei

betr.: Titelbild zu „Läuft bei uns“, taz vom 29./30. 7. 17

Nein, liebe taz-lerInnen, auch wenn die Bildunterschrift auf der Titelseite das suggerieren will: Es ist eben nicht „ganz normal“, dass einem menstruierenden Mädchen das Blut erst seitlich den Oberschenkel hinauf und dann bis in die Kniekehlen läuft. Es ist ein Aufmacher, der den ästhetisierten, blutverschmierten Körper eines Mädchens nutzt zur Effekthascherei, sich aufklärerisch gibt und dabei einfach nur aufregen und erregen will – oder warum hebt die geschätzt Vierzehnjährige ihr Shirt? Es ist eine Mischung, die wesentlich ärgerlicher ist als reiner Voyeurismus.

Und – wie hättet ihr das Thema „Inkontinenz im Alter“ illustriert? Mit dem Unterleib eines Achtzigjährigen auf dem Titelblatt? Wirklich? Ich sehe die zunehmend trivialisierte und gleichzeitig skandalisierte Aufbereitung von Themen in der taz mit Sorge.

SIMONE REGINA ADAMS, Freiburg

Niedere Instinkte

betr.: Titelbild zu „Läuft bei uns“, taz vom 29./30. 7. 17

Ich protestiere entschieden gegen den Artikel und insbesondere die Illustration der Wochenendausgabe unter dem Deckmantel von Aufklärung – die vor Jahrzehnten notwendig war und geschehen ist und die auch heute noch einem Teil unserer Gesellschaft nützlich sein könnte, zu dem ich nicht dringend die Leserschaft der taz rechnen möchte. Hier werden niedere Instinkte bedient mit Bildern, wie ich sie meinen 17-jährigen Enkelinnen keinesfalls als seriöse Zeitungslektüre zugemutet wissen möchte. Das Bildmaterial ist einfach nur ekelhaft. Derart frauenfeindliches journalistisches Handwerk hätte ich in meiner Hauspostille nicht erwartet, die ich mit Unterbrechungen seit Erscheinen Ende der 70er Jahre gerne auch wegen ihres obrigkeitskritischen, frechen, teils lustigen, teils rotzigen, immer um direkte Redeweise bemühten Schreibstils geschätzt und gelesen habe.

REINHOLD LAUTERBACH, Berlin

Tabu? Nicht mehr

betr.: „Nie wieder Erdbeerwoche“, taz vom 29./30. 7. 17

Definition Tabuthema: Ein Thema, das so oft in den Medien vorkommt, dass es einem zum Halse heraushängt. Mal im Ernst: In der BRAVO Girl wird das Thema in jeder Ausgabe diskutiert. Vermutlich, weil da die Zielgruppe sitzt. Vielleicht hat die Bevölkerung ja ansonsten schlicht keinen Diskussionsbedarf? MARTIN HOEFS, Siegburg

Ohne Würde

betr.: Titelbild zu „Läuft bei uns“, taz vom 29./30. 7. 17

„taz lesen muss sein“. Aber das Titelfoto muss nicht sein!

Es ist für mein Empfinden als Frau und Mutter von vier Töchtern völlig abstoßend, ja widerwärtig, und dem wichtigen Thema des wunderbar geschaffenen weiblichen Zyklus nicht annähernd würdig.

Ich weiß sehr wohl, dass weder die monatlich wiederkehrende Periode noch eine Geburt nur Freude bereiten, ja sie bereiten zum Teil Schmerzen und die Menstruation ist manchmal auch lästig. Aber sie gehören zu uns als Frauen nun mal dazu, nur so ist das wunderbare Entstehen von neuem menschlichen Leben auf dieser Erde möglich.

Mit dem Titelfoto ist für mich die Grenze überschritten. Dieses wichtige Thema, Respekt und Würde gegenüber Frauen, ist Ihrer Zeitung doch eigentlich besonders wichtig oder nicht? Hat die taz so ein Titelbild nötig? ISABELLE WESTECKER-BLUM, Hamburg

Zieh, Schwester!

betr.: Titelbild „Läuft bei uns“, taz vom 29./30. 7. 17

Dieses Titelbild ist einfach nur mutig und authentisch. Vielleicht hätte es eine ältere Frau sein können und nicht schon wieder eine, die eher dem Model-Klischee entspricht – aber das sind Details, über die es sich nicht aufzuregen lohnt.

Etwas informativer, spannender oder auch lustiger hätte ich mir allerdings den Text gewünscht. Zum Beispiel Tamponwitze ... Kennt Ihr den? Sitzt eine Frau auf einem öffentlichen Klo, den voll gesaugten, tropfenden Tampon in der einen Hand, und versucht aus einem an der Wand befestigten Behältnis einen „Hygienebeutel“ rauszufischen – wobei das ganze, schlecht befestigte Behältnis inklusive aller Beutel sich auf einmal in der anderen Hand befindet. Nein, der Witz hat keine wirkliche Pointe, und das Klo hat leider erst im Vorraum ein Waschbecken. Die Keime auf der Türklinke freuen sich. Gelacht habe ich aber trotzdem über mich.

Und wer bitte erfindet endlich einen Patronengürtel für Tampons in verschiedenen Größen, damit Frau immer gewappnet ist und der Hilfe suchenden Freundin anbieten kann: Zieh! Schreibt weiter über Binden in Schulen in Uganda und Aktivistinnen, die dafür ins Gefängnis wandern. Es ist noch ein weiter Weg bis zur Enttabuisierung des Themas Menstruation und allem, was dazu gehört. Der Aufmacher am Samstag in der taz war ein Schritt dahin.

Ich habe das Titelbild meiner 23-jährigen neo-feministischen Tochter geschickt. Reaktion: ein Tränen lachender Smiley mit dem Text: „Ich würd mal sagen, das Thema läuft“. Mit menopausigen Grüßen – wo auch nicht alles besser wird, nur anders.

BERNADETTE DRESCHER, Köln