Die Linke schwebt der SPD davon

Nach dem Wahlerfolg der linken Parteien fordert die WASG mehr Einfluss in der Linkspartei. Deren Chef Stefan Liebich will die einst Ungeliebten beteiligen. Koalitionspartner SPD sieht das mit Grausen

VON MATTHIAS LOHRE

Der Erfolg bei der Bundestagswahl bereitet der Senatskoalition aus SPD und Linkspartei Probleme. Während die WASG auf ihren Beitrag zum guten Zweitstimmenergebnis der Linkspartei pocht, drängt der gestärkte Koalitionspartner SPD auf Distanz zur Wahlalternative. Hingegen will sich Linkspartei-Chef Stefan Liebich bis zur Abgeordnetenhauswahl im kommenden Jahr mit der WASG verbünden.

Die Sozialdemokraten konnten sich trotz leichter Verluste mit 34,4 Prozent der Zweitstimmen als stärkste Partei behaupten. Zudem gewann die SPD sieben der zwölf Berliner Wahlkreise. Nun fühlt sich die SPD berufen, ihrem kleineren Koalitionspartner Ratschläge für den Umgang mit der bislang ungeliebten Wahlalternative zu geben. Partei- und Fraktionschef Michael Müller rät seinem Linkspartei-Kollegen Stefan Liebich: „Seine Partei sollte der WASG gegenüber distanziert bleiben.“ Der Grund: „Auf Bundesebene hat die Linke gerade einen teuren Sieg eingefahren.“ Beim Aufbau der Bundestagsfraktion werde es noch krachen. Mit Blick auf ein ähnliches Szenario auf Landesebene stellt Müller die rhetorische Frage: „Warum sollte die Berliner Linkspartei.PDS nun aufgeregt auf die WASG zugehen?“

Vor wenigen Monaten wären sich Müller und Liebich in dieser Frage einig gewesen. Doch jetzt hat die Linkspartei.PDS bei der Bundestagswahl ihr Zweitstimmenergebnis um satte 5 Prozentpunkte gegenüber der Wahl 2002 verbessert – auf 16,4 Prozent. Auch Berliner Genossen leugnen nicht mehr, dass der Erfolg der Ex-PDS auch der Zusammenarbeit mit der WASG geschuldet ist.

Vom harten Konfrontationskurs gegen die hiesige Wahlalternative will Linkspartei-Chef Liebich auch deshalb nichts mehr wissen: „Bis Herbst 2006 wollen wir als fusionierte Partei bei der Abgeordnetenhauswahl antreten. Zumindest wollen wir bis dahin so weit zusammenwachsen, dass eine Einigung unumkehrbar ist.“

Auch zarter Druck von der Bundesebene der Linkspartei wird die Berliner GenossInnen zum Gesinnungswandel getrieben haben. Gregor Gysi hatte am Sonntagabend in die Fernsehkameras gesagt, es läge auch an der Art Regierungsbeteiligung der Linkspartei in Berlin, dass die WASG in der Stadt so viele Mitglieder hat.

So etwas hört die Wahlalternative gern: Endlich fühlt sich die lange als „Gurkentruppe“ geschmähte Partei ernstgenommen. Gysis und Liebichs warme Worte machen sie selbstbewusst. Am guten Wahlausgang habe die WASG einen hohen Anteil, schreibt der dreiköpfige Landesvorstand in einer Presseerklärung: „Es wäre gut, wenn die Linkspartei.PDS aus diesem Wahlergebnis den Schluss zieht, ihre Politik im Land zu ändern.“ Die „Schizophrenie“, im Bund „Weg mit Hartz IV“ zu fordern und in Berlin Hartz IV umzusetzen, müsse ein Ende haben. Markig fordert die WASG: „Die unsoziale Poltik der Berliner Koalition mit der SPD, die sich an der Umverteilung von unten nach oben beteiligt, muss beendet werden.“ Das sehen die SozialdemokratInnen bekanntlich anders.