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Schlecht gesiegt

Die deutschen Basketballer gewinnen bei der EM ein denkwürdiges Spiel gegen Russland – Nowitzki sei Dank

VRSAC dpa ■ Als die Schlusssirene in der Millenniums-Halle von Vrsac ertönte, gab es kein Halten mehr. Der 1,80 Meter große Frankfurter Spielmacher Pascal Roller schleuderte den Ball unters Hallendach, während die deutschen Basketball-Riesen wie Kleinkinder herumtollten und Freudentänze vollführten. Mittendrin in der siegestrunkenen Spielertraube der Held eines denkwürdigen Abends: Dirk Nowitzki. Mit seinem goldenem Händchen hatte der 2,13 Meter große Superstar des NBA-Clubs Dallas Mavericks 27 Sekunden vor Spielende den entscheidenden Dreier zum nicht mehr für möglich gehaltenen 51:50-Erfolg gegen Russland verwandelt.

„Das war ein Erlebnis der besonderen Art. So etwas habe ich noch nie erlebt, nur 16 Punkte zur Pause und dann diese dramatische Wende“, meinte der freudestrahlende Präsident des Deutschen Basketball Bundes (DBB), Roland Geggus, nach dem Zittersieg in einem Basketball-Krimi, der außer Spannung nicht allzu viel zu bieten hatte. „Ein schlechteres Spiel hat wohl kaum jemand von uns jemals gesehen“, schreibt Christoph Büker, der Pressesprecher des DBB, in seinem Internettagebuch aus Serbien-Montenegro. Doch der siegestrunkene Geggus stellte gleich den ganz großen Vergleich an und fühlte sich an München 1993 erinnert, als die deutschen Basketballer durch einen 71:70-Sieg gegen Russland dank dreier Korbpunkte des heutigen Co-Trainers Christian Welp Sekunden vor Schluss sensationell Europameister geworden waren. So hätte er es wohl gerne wieder.

„Das ist ein großer Tag für den deutschen Basketball. Auf diese Mannschaft kann ganz Basketball-Deutschland stolz sein. Ich bin es auf jeden Fall“, strahlte Bundestrainer Dirk Bauermann ebenfalls noch im Adrenalinrausch nach dem hauchdünnen und überaus glücklichen Erfolg über die Russen, der glänzende Perspektiven für den weiteren Turnierverlauf bei der 34. Europameisterschaft in Serbien-Montenegro eröffnete. „Wichtig ist, dass uns die beschwerliche Reise nach Podgorica erspart blieb“, meinte Bauermann. In der 500 Kilometer entfernten montenegrinischen Hauptstadt hätte man im Fall einer Niederlage gegen Kroatien spielen müssen.

Jetzt haben die Deutschen heute in Vrsac quasi ein Heimspiel gegen die Türkei (18 Uhr/DSF) im Überkreuz-Spiel um den Einzug ins Viertelfinale. Dort träfe die DBB-Auswahl am Freitag (18 Uhr/DSF) in Belgrad auf den Sieger der Gruppe C, EM-Geheimtipp Slowenien. So weit will Bauermann getreu seinem Motto „wir denken nur von Spiel zu Spiel“ nicht vorausschauen.

„Die Türken werden mit viel Wut im Bauch hier aufkreuzen“, vermutet Bauermann. Der 47 Jahre alte Coach weiß, dass die meisten der deutschen Spieler noch eine offene Rechnung mit den Türken begleichen wollen. Bei der 78:79-Niederlage im Halbfinale der EM 2001 in Istanbul verpasste das deutsche Team das Endspiel um Haaresbreite. Bauermann: „Jetzt liegt es an den Spielern, diesen Stachel im Fleisch herauszureißen.“

Die Kastanien aus dem Feuer wird wohl wieder Nowitzki holen müssen, der gegen Russland neben seinem Siegeswurf mit 24 Punkten und 19 Rebounds seine Mit- und Gegenspieler wieder einmal überragte. Doch Bauermann redet auch die Mitspieler des Impulsgebers Nowitzki stark: „Wenn Dirk anfängt zu treffen, dann gibt das in seinem Sog auch den anderen Sicherheit.“ Der mit viel Energie, Leidenschaft und Willenskraft errungene Sieg über die Russen war für Bauermann die „Initialzündung, die uns weiter trägt“. Magere acht Punkte hatten die Deutschen im ersten Viertel erzielt, im zweiten waren es genauso wenig, kurz nach der Pause führten die Russen mit 33:16. Es war in der Tat eine seltene Energieleistung, die die deutsche Mannschaft zurück ins Spiel brachte. Dass das Aufbauspiel wie schon in der ersten Begegnung gegen Italien wieder nicht funktionierte, dass es selten gelang, systematisch aufzubauen, darüber wollte nach der Aufholjagd und dem glücklichen Ende niemand mehr reden.

Nowitzki hat sicher Recht, wenn er sagt: „Wir haben noch Steigerungspotenzial. Die tolle kämpferische Leistung gegen die Russen hat uns einen weiteren Schub gegeben und den Glauben daran, dass wir noch länger hier bleiben können.“ Am Dienstag wollen die deutschen Riesen für einen weiteren magischen Moment bei der EM sorgen.

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