Nordkorea lenkt im Atomkonflikt ein

Pjöngjang erklärt Bereitschaft zum Verzicht auf Atomprogramme sowie die Rückkehr zum Atomwaffensperrvertrag, USA erkennen Souveränität Nordkoreas und sein Recht zur zivilen Nutzung der Atomkraft an. Weitere Gespräche im November

AUS PEKING GEORG BLUME

Zwei Jahre währen die so genannten Sechser-Gespräche in Peking bereits. Dies war jetzt die vierte Runde. Zwischendurch erklärte sich Nordkorea zur Atommacht, nannte die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice Nordkorea einen „Außenposten der Tyrannei“. Niemand schien mehr an eine Einigung zwischen den sechs beteiligten Ländern – USA, Nordkorea, Südkorea, China, Japan und Russland – zu glauben. Doch gestern das: Nordkorea will abrüsten. Von einem „großartigen Tag“ sprach gestern der US-Gesandte Christopher Hill, und sein chinesischen Verhandlungspartner, Vize-Außenminister Wu Dawei, pflichtete bei: „Das ist das wichtigste Ergebnis der Gespräche seit mehr als zwei Jahren.“

Glaubt man der von den sechs Ländern gestern vorgelegten „gemeinsamen Erklärung“, dann könnte einer der brisantesten Brennpunkte der Weltpolitik entschärft sein: Nordkorea „verpflichtet sich zur Aufgabe aller Atomwaffen und bestehenden Atomprogramme sowie der baldigen Rückkehr zum Atomwaffensperrvertrag“, heißt es bereits. Worauf sich die USA auf den Satz festlegen, „keine Atomwaffen auf der koreanischen Halbinsel zu haben und keinerlei Pläne zu hegen, Nordkorea mit Atom- oder konventionellen Waffen anzugreifen“.

So einfach ist das also mit dem Frieden, denkt der unvoreingenommene Leser. Die diplomatische Wirklichkeit muss in der Tat nicht viel komplizierter sein. Wo ein Wille ist, so signalisiert die Erklärung, ist auch ein Weg. Nach dem Prinzip „Verpflichtung gegen Verpflichtung, Handlung gegen Handlung“ wollen die Vertragspartner vorankommen. Beginnt Nordkorea mit der Abrüstung und lässt erneut Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) ins Land, werden die fünf übrigen Parteien das ökonomisch nahezu bankrotte Regime von Diktator Kim Jong Il mit Energiehilfslieferungen versorgen. Jeder weitere Abrüstungsschritt Nordkoreas würde so belohnt: mit zusätzlichem Handel und Maßnahmen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Nordkorea und den USA und Nordkorea und Japan. Sogar über die Lieferung eines Leichtwasserreaktors an Nordkorea wollen die fünf Vertragspartner mit sich reden lassen, falls das Abkommen gute Fortschritte macht.

Insofern schlägt die gestrige Pekinger Erklärung alle Erwartungen: Obwohl nur 19 Sätze lang, bietet sie einen umfassenden Plan. Langfristige Sicherheitskonsultationen werden ebenso angeregt wie die Lösung des kniffligen Problems der japanischen Geiseln in Nordkorea. Das Ziel ist klar: die „verifizierbare Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel auf friedliche Art“. Bleibt die Frage nach der Umsetzung. „Das könnte ein langer Prozess werden“, warnte US-Unterhändler Hill vorsorglich.

Die IAEO-Inspektoren aber wollen „schnellstmöglich“ wieder nach Nordkorea. „Je schneller wir wieder dorthin gehen, desto besser“, sagte IAEO-Chef Mohammed al-Baradai in Wien. Auch Hill macht Druck: „Jetzt wäre der Zeitpunkt, sie abzustellen“, sagte er über Nordkoreas größte Atomanlage in Yongbyon. Doch davon ist auf nordkoreanischer Seite noch keine Rede. Voraussichtlich wird man sich dort Zeit lassen, auf jeden Fall bis Anfang November. Dann wollen sich alle Parteien erneut in Peking treffen, um einen Umsetzungsplan zu diskutieren.

Die Sechsergespräche begannen im August 2003, nachdem Nordkorea seinen Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag verkündet hatte. Zuvor hatten die USA Nordkorea den Betrieb eines geheimen Urananreicherungsprogramms vorgeworfen und das Land zur „Achse des Bösen“ gezählt. Damals scheiterte auch ein 1994 zwischen den USA und Nordkorea erzieltes Abkommen, in dem Nordkorea im Gegenzug für die Lieferung von Atomreaktoren auf Atomwaffen verzichtet hatte. Nordkorea und die USA werfen sich gegenseitig vor, das Abkommen nicht eingehalten zu haben.

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