LeserInnenbriefe
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Dreamland zur Wirklichkeit machen

betr.: „Obamacare: Senat braucht Ersatz“, taz vom 28. 7. 17

Ein wichtiges Gesetz! Da singen Madonna und Co gegen die Armut der anderen kontinentalen Welt an – und im eigenen Land können sich die Amerikaner keine Medizin leisten –, und die amerikanischen Superstars halten sich für Medizin, für ein Elixier des Lebens. Ehrlich gesagt, etwas mehr Normalität, dann muss die arbeitende Bevölkerung nicht zwei Jobs nachgehen, um über die Runden zu kommen. Warum nicht das Dreamland der Showbühne zur Wirklichkeit machen? Vielleicht geht das doch für eine Weile gut. CLAUDIA GROSSKLAUS, Hattingen

Waffen und Tiefkühlpizzas

betr.: „Noch mal schaffen wir das nicht“, taz vom 19. 7. 17

Ach, wir Armen! Wir haben ja so sehr unter der Flüchtlingskatastrophe zu leiden! Ich denke, die wahre Katastrophe sind die Zustände in Afrika, die durch die europäische koloniale und postkoloniale Politik zum großen Teil entstanden sind. Und immer weiter produziert werden, zum Beispiel durch die „Freihandelsverträge“ EPAs (Economic Partnership Agreements).

Wenn es möglich wäre, durch gewinnbringende Investitionen eine nachhaltige und soziale Entwicklung in Afrika voranzutreiben, würden es wohl die dortigen Eliten übernehmen. Ein Marshallplan, wie er jetzt geplant wird, würde die Migrationsbewegungen weiter verstärken, wäre aber für unsere Exportwirtschaft (ob es um Waffen oder Tiefkühlpizzas geht) sicherlich interessant, zumal sogar staatliche Garantien winken.

MARINA MUNK, Hamburg

Ehrlich und drastisch

betr.: Leserinbrief „Behinderte sind keine Kranken“, taz vom 26. 7., „Der Vorfall“, taz vom 19. 7. 17

Diskriminiert taz-Autor Frédérik Valin Behinderte wirklich, noch dazu ganz massiv? Ich habe anfangs der 1970er Jahre die einzig mögliche Fachausbildung absolviert, die es damals für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung – damals geistig Behinderte – gab: Heilerziehungspflege. Die Berufsbezeichnung lautet übrigens – zumindest in Bayern – immer Heilerziehungspfleger/-pflegerin. Ich stimme Ihnen zu, ein Mensch mit Unterstützungsbedarf – so die heute korrekte Bezeichnung – benötigt dann Pflege, wenn er erkrankt ist. Aber ich verstehe den Begriff „Pflege“ auch in dem Sinne, wie ich meine Beziehung pflege, wie ich gute Umgangsformen pflege. Diskriminiere ich damit jeweils mein Gegenüber, meine Partnerin? Ich empfinde eher das Gegenteil: Ich achte und ehre sie. Und so ganz frei sind Sie auch selbst nicht von einer pflegenden Haltung, oder verstehe ich Ihren Einwand, „warum hat Valin ihm keine passende Hose angezogen?“, falsch?

Meine nächste Bemerkung betrifft die Empfindung „Ekel“. Als ich seinerzeit das erste Mal mit Menschen mit schwerer und schwerster Behinderung zusammentraf, arbeiten sollte und musste, erlebte ich sehr deutlich meine Grenzen. Ich empfand Ekel vor dem unkontrollierten Speichelfluss der Menschen mit einer funktionellen orofazialen Störung, ich empfand Abscheu, wenn ich Männer mehrmals am Tag säubern musste, die ihre Ausscheidung nicht kontrollieren konnten. Und ich bin heute noch dankbar, dass ich damals einen Lehrer und Ausbilder hatte, dem ich meine Empfindungen offen und drastisch schildern konnte und der mir half, meine Grenzen zu bearbeiten, die Menschen zu entdecken, die Persönlichkeiten zu entdecken, sie zu achten und zu ehren. Und auf diesem Hintergrund erlebe ich die Artikel Valins als ehrlich und drastisch, aber nicht als entwürdigend. CHRISTOF ZIEGLER, Regnitzlosau

Banale Themen

betr.: „Läuft bei uns“, taz-Titelseite vom 29./30. 7. 17

Hallo, liebe taz-Redaktion, seit Jahrzehnten bin ich taz-Leser, doch seit einigen Monaten werde ich immer ärgerlicher, wenn ich sie lese. Banale Themen nehmen ein bis zwei ganze Seiten in Anspruch (siehe „Rasen-Artikel vom 29./30. Juli).

Und die Sprache verliert zunehmend an Niveau. Gerade in Zeiten von Trump und Co. sollte sich die taz davon abgrenzen, Sätze wie „Trump ist ein Fleisch gewordenes Stück Scheiße“ möchte ich nicht einmal in einer Glosse lesen.

Sachsen-Bashing und anderes: Was eine Zeit lang als witzige Populisten-Sprach-Karikatur erschien, wird zur normalen Sprache? Dann wiederum: Der letzte Bericht über den Philosophen Tristan Garcia (29/30. Juli) – dieser ist sogar für mich als Akademiker zu voll mit abgehobener Sprache, ohne genauere Bezüge herzustellen: „…seine Ideen von Oszillation oder Intensität fetischisiert …“ Richtig ärgerlich ist die Titelseite mit dem menstruierenden Mädchen: Effekthaschend und unnötig! Die Musikartikel und die Theaterbesprechungen sprechen einen sehr, sehr begrenzten Leserkreis an. Berichte über Veranstaltungen wie das Fuchsbau-Festival mit Eva Illouz oder von Thinktanks wären interessanter. JOSEF RABENBAUER, Freiburg

Meisterhafter Text

betr.: „Sekten und Insekten“, taz-Wahrheit vom 28. 7. 17

Sowohl der meisterhaft choreografierte Text als auch die als Selbstbeobachtung getarnte Gesellschaftskritik „Sprechen mit Schleifchen“ haben in mir eine Spannung hinterlassen zwischen fröhlicher Begeisterung über den sprachlichen Tiefgang einerseits und Betroffenheit ob der zugrundeliegenden Fakten (die der Autor sogar zu zwei Themen zu integrieren schafft!) andererseits. Danke für diese tollen Wahrheiten! TH. KLEIN, Aachen