Wortwechsel
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F*CK Umwelt

HÄSSLICH Die Autokonzerne machen Schmu mit Abgaswerten. Konzerne der Atomindustrie möchten uns weiter mit ihrer Energieproduktion beglücken

Hauptsache Spaß: Audi A7 Sportback 3.0 TDI quattro, V6 Dieselmotor Foto: dpa

Autolobbyland

betr.: „Autoindustrie in schwerem Verdacht“, „Technoclubs statt Daimler“, taz vom 22./23. 7. 17

Man stelle sich vor, Leute, die eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren, würden ab sofort nicht mehr geprüft. Die Kandidatin, die den Titel als – sagen wir – Kfz-Meisterin absolvieren möchte, würde nur gefragt, ob sie alles Wichtige wisse. Und wenn die Kandidatin dann nicken würde, würde der Prüfer ihr die Hand schütteln, sie zu ihrem Meistertitel beglückwünschen und ihr gleich die Urkunde überreichen.

Bei der Autoindustrie geht die Politik im Autolobbyland Deutschland genau so vor. Wie kommt die Autoindustrie dazu, geheime Absprachen zu treffen und Technik einzubauen, mit der geltende Grenzwerte überschritten werden? Weil sie’s kann! Und das noch immer. VW veranlasst eine Softwareumstellung, die – soweit Überprüfungen zeigen – zur Folge hat, dass Grenzwerte nicht mehr um 80 Prozent überschritten werden, sondern nur noch um 70 Prozent. Daimler plant jetzt dasselbe.

Ist es den Autoherstellern vorzuwerfen, dass sie getan haben, was sie tun konnten? Würde ein Anbieter nicht den Kürzeren ziehen, wenn er EURO5 oder EURO6 im Gegensatz zu den Mitbewerbern „wirklich“ einhalten und dafür teurer produzieren würde? Sollte er dann damit werben, dass er die Standards „wirklich“ einhält?

Unternehmen, die sich rechtswidrig verhalten und sich darüber Vorteile verschafft haben, müssen dafür Konsequenzen erfahren, für die wirtschaftlichen Folgen einstehen und auch bestraft werden. Doch der eigentliche Skandal hat nicht zu tun mit VW, Daimler, Opel und BMW: Er besteht darin, dass Regulierungsbehörden in Deutschland sich verhalten haben wie der Käufer eines Fernsehers, der „vom Laster gefallen“ und deswegen besonders billig ist: Sie ahnen – oder sie wissen –, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Doch sie rühren nicht dran. Wir müssen davon ausgehen, dass die Bananenrepublik Deutschland, die sich darin zeigt, bis in die höchsten Spitzen der Politik reicht.

STEFAN BAIER, Offenbach

Gern im Cockpit

betr.: „Autoindustrie in schwerem Verdacht“, taz vom 22./23. 7. 17

Da gab es also vor Jahren ein Geheimtreffen der deutschen Autobauer! Die Kooperationen der deutschen Autoindustrie gehen eben vor Konkurrenzdenken! Gilt es doch zu verhindern, dass die auf allen Gebieten hochgerüsteten deutschen Autos auch entsprechend hoch gerüstete Abgasfilter bekommen, um zukünftige Fahrverbote zu vermeiden. Um auch hier punkten (und protzen) zu können, ist eine ausgeklügelte Betrugssoftware erfunden worden.

Die Dreistigkeit der Autoindustrie finde ich bemerkenswert, und wie wenig der deutsche Gesetzgeber (Regierung und Ministerien) hinsichtlich der Offensichtlichkeit der Betrügereien in Aufregung gerät. Aber hier handelt es sich um einen „deutschen Exportschlager“! Da muss man auch mal fünfe grade sein lassen können.

Außerdem lassen sich ja auch viele Politiker gerne bei Automessen ins Cockpit setzen und äußern sich stolz über den technischen Erfindungsreichtum der deutschen Ingenieure. Dass die Betrugssoftware auch zum Erfindungsreichtum gehört, ist bisher nicht ausreichend „gewürdigt“ worden.

Die Autoindustrie hat jetzt angeboten, alle ihre Fahrzeuge (kostenlos für ihre Besitzer) mit einer besseren Software auszustatten. Beim regulären Fahren bringt diese aber keine Verbesserung. Ich höre schon in den Vorstandsetagen die Sektkorken knallen, zumal Minister Dobrindt und viele Ministerpräsidenten Fahrverbote vermeiden wollen. Deshalb haben sie auch ihre Zustimmung schon signalisiert. 600.000 Arbeitsplätze werfen sie in die Waagschale, Atemwegserkrankungen sind da kein Argument.

Es gibt schon längere Zeit in Lkws eine Vorrichtung, die die Dieselemissionen fast ganz auflöst, „AD-BLUE“. Diese lässt sich für knapp 2.000 Euro bei den meisten Pkws nachrüsten. Das hätten die Autobauer anbieten müssen. Dann wäre ihr Image nicht weiter so auf Talfahrt. Aber man nimmt immer die Billigvariante.

JOHANNES HASCHKE, Bochum

Kreativworkshop

betr.: „Autoindustrie in schwerem Verdacht“, taz vom 22./23. 7. 17

Ach wer weiß, was alles untereinander verabredet wurde? Vielleicht hatten die Designer der Pkw auch gemeinsame Kreativworkshops? Das würde erklären, warum sich die Autos immer ähnlicher wurden! Und wäre ja relativ harmlos …

GABRIELE ESSELL, Aachen

New Model AKW

betr.: „Fessenheim steht still – vielleicht sogar endgültig“, taz vom 24. 7. 17

In dem Fessenheim-Artikel von Bernward Janzing ist jede Zeile lesenswert. Welches Interesse hat der französische Staatskonzern EdF, die Stilllegung der alten Problemreaktoren von Fessenheim mit der Genehmigung des neuen Problemreaktors in Flamanville zu verquicken? Die EdF behauptet zwar, man erfülle damit die Vorgaben des Energiewendegesetzes, doch exakt das Gegenteil ist der Fall: Das Gesetz sieht eine Obergrenze (62,5 GW) der Nuklearkapazität vor, die Fessenheim-Stilllegung geht damit mehr als konform. Und das Gesetz sieht eine Reduktion des Atomkraftanteils vor. Diese ist jedoch mit dem Ersatz alter durch neue Problem-AKW nicht zu erreichen, die politische Verquickung konterkariert also die Ziele des Gesetzes.

Warum also erlöst die EdF nicht endlich die Verantwortlichen aus Politik und Atomaufsicht von dem unerträglichen Druck, der natürlich immer dann entsteht, wenn die Anrainer aus Freiburg, Stuttgart, Berlin oder Bern in Paris anklopfen und gerne mit medialer Aufmerksamkeit den Finger in die Wunde legen? Freiwillig stellen sich die Vertreter der Atomaufsicht nämlich nicht in prall gefüllten Veranstaltungsräumen den kritischen Fragen der grenzüberschreitenden Öffentlichkeit und lesen tags drauf in den Zeitungen, dass sie wieder herum­laviert hätten.

Da es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass die EdF den 20 Meter hohen Dampferzeuger des seit 13 Monaten abgemeldeten Blocks 2 austauschen will, liegt es nahe, dass hier nicht mehr investiert und dieser auch nicht mehr angefahren werden soll. Doch die EdF wäre dumm, wenn sie dieses großartige Druckmittel Fessenheim ohne Not aus der Hand geben würde. Schließlich will sie zu den Top Five der globalen Atomkraftplayer gehören. Da kommt es international nicht ganz glaubhaft rüber, wenn die EPR-Fiasko-Baustellen offiziell eingemottet würden. Man bastelt also parallel sowohl am kleineren „EPR NM“ (European Pressurized Reactor, New Model) als auch an AKW der vierten Generation. Das erklärte Ziel ist es, billiger zu werden als die billigsten erneuerbaren Energien. Wozu das, wenn es nur um Energieversorgung geht? Haben wir es bei diesen Ambitionen des Staatskonzerns nicht eher mit Bestrebungen zu tun, das Budget des Verteidigungshaushalts der Atommacht zu entlasten? Dieses würde ohne die gesamte zivil-nukleare Back-up-Infrastruktur aus sämtlichen Nähten krachen. Da fährt man mit ein paar Milliarden Staatsbeihilfe zur Rettung von Stromkonzernen und Reaktorbautöchtern wesentlich billiger. Das Geld kommt zwar auch aus den Taschen der Steuerzahler, aber der Zweck ist nicht so offensichtlich.

EVA STEGEN, Freiburg