Privatschulen kein Schreck mehr

BILDUNGSUMFRAGE 60 Prozent der Deutschen sind für mehr Wettbewerb unter den Schulen – der Trend zur freien Trägerschaft im Schulsystem wird damit erneut bestätigt

Mehr Wettbewerb wird gewünscht – aber Bildungsgutscheine lehnt die Mehrheit ab

VON CHRISTIAN FÜLLER

Die Furcht der Deutschen vor Privatschulen lässt nach. Eine neue repräsentative Umfrage zeigt, dass ein Drittel der Befragten grundsätzlich „für Kinder eher eine private Schule“ vorzieht. Bei Akademikern sind staatliche und private Schule mit jeweils rund 45 Prozent sogar gleich beliebt. Das Münchener Institut für Marktforschung erhob die Daten im Juni unter 994 repräsentativ ausgewählten Bürgern. Die Umfrage liegt der taz vor.

Die Befragung reiht sich nahtlos in jüngere Studien ein. Forsa fand im Mai heraus, dass 54 Prozent der Eltern eine Privatschule wählen würden, wenn sie es sich leisten könnten. Und laut einer Spiegel-Umfrage wären 80 Prozent der Deutschen bereit, Schulgebühren zu bezahlen, wenn ihr Kind „dadurch besseren Unterricht und bessere Lehrer hätte“. Bislang besuchen nur 7,8 Prozent der deutschen Schüler eine freie Einrichtung.

Die neue Studie soll im Umfeld des Jahreskongresses des Verbands der Privatschulverbände am Donnerstag erscheinen.

Die Deutschen geben in ihren Haltungen nach Informationen der taz auch Rätsel auf. Einerseits sind sie eindeutig „für mehr Wettbewerb unter den Schulen“, um deren Qualität zu verbessern. Rund 60 Prozent sind dieser Ansicht. Andererseits können die Interviewten mit „Bildungsgutscheinen“ wenig anfangen – obwohl diese die Möglichkeit gäben, frei zwischen staatlichen und privaten Schulen zu wählen. Nur 38 Prozent begrüßen solche Gutscheine, 48 Prozent lehnen sie ab. Dieses Ergebnis ist kein Wunder: Haben die Parteien der neuen Bundesregierung doch angekündigt, lediglich einen einzigen 150-Euro-Bildungsgutschein auszuhändigen – bei der Geburt eines Kindes. Und nicht, wie von verschiedener Seite gefordert, für jedes schulpflichtige Kind einen Gutschein pro Monat.

Die Frage der Privatschulen hat wegen der schlechten Ergebnisse bei der internationalen Schulvergleichsstudie Pisa an Bedeutung gewonnen. Es wird allgemein von einem Boom an Privatschulen gesprochen, dessen Ausmaß allerdings wegen der unterschiedlichen Zählweisen von Statistischem Bundesamt und den Privatschullobbys umstritten ist. Gesicherte Zahlen brachte im September das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) heraus. Die Berliner Forscher berufen sich auf eine Dauerbefragung von Haushalten nach ihrem tatsächlichem Verhalten und nicht ihren Meinungen. Danach gibt es einen großen Zuwachs an Privatschülern in den letzten 10 Jahren nur in einer Gruppe: bei Deutschen mit Abitur. „Insgesamt hat der Anteil von Privatschülern an allen Schülern, deren Eltern ein Abitur haben, um 77 Prozent zugenommen“, fand das DIW heraus. Er liegt aber auch bei ihnen nur bei 12,4 Prozent.