LeserInnenbriefe
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150 Jahre „Kapital“. Die Fakten

betr.: „Der beste Rohbau aller Zeiten“, taz vom 22. 7. 17

Schade, dass ihr zum 150. Jahrestags der Publikation des „Kapital“ einem so offenkundig uninformierten Autor wie R. Walther das Wort gebt. Einleitend behauptet dieser, die Auseinandersetzung mit Marx habe unter anderem mit Fetschers Marx-Engels-Studienausgabe 1966 begonnen – da waren die allermeisten der schließlich 43 Bände der Marx-Engels-Werke (MEW), die berühmten blauen Bände, bereits publiziert, die zwar in Einleitung und Anmerkungen tendenziösen Krempel enthielten, aber bis auf Kleinigkeiten texttreu die Werke von Marx und Engels präsentierten. In der nicht zuletzt von der Studentenbewegung initiierten Debatte über die Marx’sche Theorie wurde dann auch 25 Jahre lang aus den MEW und nicht aus Fetscher zitiert. Bei der Betrachtung des „Kapital“ selber und seiner umfänglichen Publikation in den 15 Doppelbänden der Abteilung II der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) übersieht Walther ein zentrales Ergebnis dieser Editionsarbeit, nämlich, dass Marx auch nach der Publikation des ersten Bands des „Kapital“ bis an sein Lebensende auch diesen Text weiter überarbeitete – ein enorm wichtiges Indiz dafür, dass die Marx’sche Methode und der „Marxismus“, der zuerst in Deutschland, dann in Russland die Marx-Texte als endgültige Wahrheiten ausgab, nichts miteinander zu tun haben, ja methodisch Gegensätze sind, also Marx’ eigenes, von Engels überliefertes Diktum, er sei kein Marxist, weit mehr ist als ein Bonmot. Ganz abseitig ist Walthers Behauptung, die Einfügung des Wortes „Zusammenbruch“ durch Engels in den Text des von ihm herausgegebenen dritten Bandes des „Kapital“ sei ursächlich für die politische Lähmung der deutschen Sozialdemokratie im Kaiserreich, weil diese auf den Zusammenbruch des Kapitalismus gewartet habe. Diese Zusammenbruch-„Theorie“ gab es schon vor der Publikation – 1894 – dieses Bands. Ebenso an den Haaren herbeigezogen ist Walthers Behauptung, „die Forschung“ habe die Behauptung aufgestellt, die „Theorien über den Mehrwert“ seien der vierte Band des „Kapital“. Diese Behauptung stammt von Friedrich Engels, der in seinem Vorwort zum dritten Band schrieb: „Das vierte Buch – die Geschichte der Mehrwerttheorie – werde ich in Angriff nehmen, sobald es mir irgendwie möglich wird.“ TILL SCHELZ-BRANDENBURG, Bremen

Das Sicherheitskonzept von Cadus

betr.: „Hoffnung auf Trümmern“, taz vom 20. 7. 17

In Ihrer Reportage über Mossul fanden viele meiner Aussagen maßgeblich Verwendung. Die Episode um den verwirrten alten Mann ist nicht richtig dargestellt. Ja, er war nicht mehr in der Lage, Aufforderungen zu befolgen, und musste mit Warnschüssen zum Halten gebracht werden. Aber anschließend haben irakische Soldaten unter hohem persönlichem Risiko den Mann und sein Gepäck untersucht und ihn als einfachen Zivilisten identifiziert. In unserer Gegenwart wurde kein Zivilist erschossen. Es hat sicherlich das reale Risiko des Beschusses gegeben, wir waren jedoch nie direktem Beschuss ausgesetzt. Dies wäre weit jenseits unserer Ausbildung und würde jedem Sicherheitskonzept von Cadus widersprechen.

Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass es, solange wir vor Ort behandelten, keine Bevorzugung verletzter Soldaten gegenüber Zivilisten gab, sondern einzig das Verletzungsmuster über die Behandlungs­priorität bestimmte.

STEFAN JAROSCH (Cadus), Berlin

Kinderlosen-Bashing – Schluss!

betr.: „Kein Beitragsrabatt für Eltern“, taz vom 21. 7. 17

Höchste Zeit, sich mal gegen das andauernde und demagogische Kinderlosen-Bashing aufzulehnen.

Dazu fünf Feststellungen:

1. Ich bin kinderlos, zahle aber in die Rentenkasse ein – und zahle möglicherweise gerade anteilig die Rente für die Eltern der Kläger.

2. Ich werde nie mehr Rente bekommen, als ich durch meine Rentenbeiträge an Anspruch erarbeitet habe.

3. Ich kann nicht beeinflussen, dass meine gezahlten Rentenbeiträge nicht für mich angespart, sondern an gegenwärtige Rentner ausgezahlt werden. Später werden die von den Kindern der Kläger eingezahlten Beiträge als Rente an mich ausbezahlt werden.

4. Solange dieses „Von der Hand in den Mund“-Prinzip im Rentenwesen beibehalten wird, wird auch gern ein demagogisch verzerrtes Bild von Kinderlosen als Sozialschmarotzern gezeichnet.

5. Die klagenden Eltern sollten endlich mal kapieren, wie unser Rentensystem finanziert wird. Wer einzahlt, bekommt später eine dementsprechende Rente – dazu muss man keine Kinder haben, sondern arbeiten!

6. Kinder zu haben oder nicht ist überwiegend eine freiwillige Entscheidung. KAY DOHNKE, Hamburg

Der Raps frisst uns alles weg

betr.: „Frische Luft für freie Bürger“, taz vom 25. 7. 17

Endlich spricht jemand das Problem an, dass die Fahrzeuge „inzwischen größer sind als so mancher Schützenpanzer des Zweiten Weltkrieges“. In einem kürzlich erschienenen Beitrag von Ulrich Sommer heißt es: „Die Energie einer Tankfüllung eines SUV würde genügen, um den Hunger eines Menschen für ein Jahr zu decken.“ Und weiter heißt es in dem lesenswerten Bericht: „Würden alle Agrarflächen dieser Erde rechnerisch zum Anbau von Raps verwendet werden, könnte mit dem daraus gewonnenen Rapsöl ein Sechstel des Weltenergiebedarfs gedeckt werden – und wir hätten nichts mehr zu essen …“

REGINA RENSINK, Stadum