Wahlmachtpoker
: Das Ende des Neoliberalismus

Jürgen Rüttgers gibt sich loyal, steht zur Kanzlerkandidatur von CDU-Bundesparteichefin Angela Merkel – noch. Doch schon gestern mischte sich leise Kritik am Wahlkampf der Ostdeutschen in die Treueschwüre des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten: Wichtig sei die soziale Balance, warnte Rüttgers vor einer einseitigen Fixierung seiner Partei auf die Ökonomie. Zu kalt, zu unsicher sei die Botschaft gewesen, die Merkel den Wählerinnen und Wählern vermitteln wollte, soll das wohl im Klartext heißen.

KOMMENTAR VONANDREAS WYPUTTA

Ähnlich die Sozialdemokraten: Landtagsfraktionschefin Hannelore Kraft beschwört die soziale und wirtschaftliche Kompetenz ihrer Partei. Auch sie will sich mit „sozialer Balance“ von CDU und Linkspartei abgrenzen: Die Linke heißt bei Kraft nur PDS/ML, mit Lafontaine. Der Hass auf den ehemaligen SPD-Vorsitzenden sitzt tief, Schröders Hartz-Gesetze mutieren zur sozialen Wohltat.

Die Politverkaufe aber zeigt: CDU und SPD haben verstanden, dass sie mit einem Kurs des knallharten Sozialabbaus keine Volksparteien bleiben können. Der Neoliberalismus – weniger Staat, mehr persönliches Risiko – ist in der Bundesrepublik strukturell nicht mehrheitsfähig. Wenn Christ- wie Sozialdemokraten in Zeiten massiver Verunsicherung nicht ein Mindestmaß an Orientierung bieten, kannibalisieren sie sich selbst. Gewählt wird dann das Original: Die FDP – oder die Linkspartei.