Einfach Durchregieren trotz Wahlpleite

Selbst wenn es im Bund zu einer Großen Koalition kommt, wollen CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen weiterregieren. Doch der politische Alltag dürfte für Schwarz-Gelb schwierig werden. Düsseldorfs CDU-OB Erwin kritisiert Rüttgers

Unter „Durchregieren“ hatte sich die neue Landesregierung eigentlich etwas anderes vorgestellt. Schwarz-Gelb in Bund und Land, so lautete das Kalkül von CDU und FDP in Düsseldorf. Vor der Bundestagswahl. Doch seit dem Sonntag ist klar, dass die NRW-Koalition ohne Rückendeckung aus Berlin regieren muss.

Der Bochumer Politikwissenschaftler Uwe Andersen sieht zunächst nur „relativ geringe“ Auswirkungen der Berliner Koalitionsbildung auf Düsseldorf. Für die CDU-NRW sei der „erhoffte Aufbrucheffekt ausgeblieben“, dennoch dürfte Schwarz-Gelb am Rhein auch im Fall einer Großen Koalition im Bund weiterregieren. Zu Problemen könne es aber im Bundesrat (siehe Infokasten) kommen, so Andersen. SPD und CDU/CSU verfügten in der Länderkammer nur über eine knappe Mehrheit. Und die FDP könne über die „Bundesratsklausel“ erzwingen, dass sich NRW bei strittigen Abstimmungen enthält. Gesetzesvorhaben einer möglichen Groß-Koalition könnten so gestoppt werden.

Einen Vorgeschmack auf die Widrigkeiten des Politalltags erhielt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers schon gestern. Da kritisierte der Düsseldorfer CDU-Oberbürgermeister Joachim Erwin den NRW-Regierungschef. Einen Politikwechsel könne er nicht erkennen, sagte Erwin laut einem Bericht der Rheinischen Post. Die Partei vermisse ein Sechs-Monate-Programm, das unmittelbar nach der gewonnenen Wahl im Mai hätte starten müssen. Die Landes-CDU habe die nachrichtenarme Sommerzeit nicht genutzt.

Am Montag hatten CDU-Arbeitnehmer den Kurs ihrer Partei im Bundestagswahlkampf kritisiert. „Mit Neoliberalismus kann man keine Wahlen gewinnen“, sagte Dennis Radtke, Chef des CDA-Nachwuchses in NRW. Auch Landesarbeitsminister und CDU-Präsidiumsmitglied Karl-Josef Laumann meckerte: „Die Partei war zu wenig für die Arbeitnehmer da.“ Gerade innerhalb der tendenziell eher christlich-sozialen NRW-CDU mehren sich nach der Bundestagswahl die Befürworter einer Großen Koalition.

„Jede Regierungsbildung im Bund hat Auswirkungen auf die Länder“, sagt Friedhelm Farthmann, früherer SPD-Spitzenpolitiker in Nordrhein-Westfalen. Doch rechne er nicht damit, dass Rüttgers das schwarz-gelbe Bündnis so kurz nach der Landtagswahl schon wieder platzen lasse. Seiner Partei rät Fahrtmann ebenfalls nicht zu einer Großen Koalition in Düsseldorf. Farthmann: „Es ist vielleicht gar nicht so schlecht, sich nach fast 40 Jahren an der Regierung jetzt erstmal in der Opposition zu berappeln.“ MARTIN TEIGELER