Windspargel wächst

In Husum startete gestern mit dem Segen von Bundesumweltminister Jürgen Trittin die weltgrößte Windenergie-Messe „Husumwind“. Der Trend: Die Windräder werden weniger – leisten aber dank größerer Rotoren immer mehr

„Jamaika-Koalition – wenn ich das Wort höre, stelle ich mir immer vor, wie man mit Stoiber zusammen ,Legalize it‘ durchsetzt“, sagt Jürgen Trittin auf die unvermeidliche Frage nach den Folgen der Bundestagswahl. Dabei war Trittin eigentlich nach Husum gereist, um die Messe „Husumwind“ zu eröffnen, die größte Windenergie-Messe der Welt – ein Pflicht- und Kuscheltermin für den grünen Bundesumweltminister.

Für Husum, Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern, ist die Ausrichtung der internationalen Messe jedes Mal eine Herausforderung. Die Messehalle wird mit Leichtbauten auf die Größe dreier Fußballfelder erweitert und englisch sprechende Leute in dunklen Anzügen irren zwischen Autohaus und Diskothek umher und suchen das Messegelände. Dennoch ist Husum ein Begriff in der Windkraft-Branche, ist Standort zweier großer Windkraft-Hersteller und eines Ausbildungszentrums für angehende Windkraft-Techniker. 600 Arbeitsplätze und die Hälfte der Gewerbesteuer-Einnahmen hängen in Husum direkt von der Windkraft ab.

Stolz verkündet Trittin, dass die erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr erstmals einen größeren Anteil an der Deckung des Energiebedarfs hatten als die Atomkraftwerke, nämlich 6,4 gegenüber 5,7 Prozent. Er nennt die Zahl von 150.000 Beschäftigten in der Branche der alternativen Stromerzeugung und spricht von dem riesigen Investitionspotenzial der geplanten Windparks auf hoher See. „Das Ziel, den Sektor der erneuerbaren Energien auszubauen, wäre allerdings gefährdet, wenn man, wie in Nordrhein-Westfalen, einen faktischen Baustopp für Windkraftanlagen verhängt“, sagt er mit einem Seitenblick auf den schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU).

Trittin spricht von 500.000 Arbeitsplätzen, die durch Offshore-Windparks entstehen könnten – Austermann dagegen möchte einen „Ausbau mit Augenmaß“, womit er sowohl den Husumer Hafen als auch die Windenergie im allgemeinen meint. Aber auch Austermann sieht das große Potenzial der Offshore-Windkraft. An Land dagegen „wollen wir die Windkraft-Flächen nicht erweitern, sondern setzen auf Repowering.“

Repowering, das Ersetzen kleiner Windräder durch neue und leistungsfähigere, ist der Markt der Zukunft, denn neue Standorte für Windräder werden kaum genehmigt. Hermann Albers, Vizepräsident des Bundesverbandes Windenergie, meint, dass man in 15 Jahren die 17.000 deutschen Windräder auf 5.000 reduzieren und trotzdem die Leistung mehr als verdoppeln könnte. Neue, leistungsfähigere Windräder: „So werden Investitionen in Regionen geholt, in denen sonst höchstens für 300.000 Euro ein neuer Stall gebaut wurde“, sagt Albers.

Vom großen Offshore-Boom ist bei der Messe dagegen noch nichts zu spüren. Zwar sind 27 Meeres-Windparks vor deutschen Küsten geplant, doch es steht noch kein einziger. Die Einspeisevergütung sei in Deutschland noch zu niedrig, um die hohen Kosten für Bau und Versicherungen aufzuwiegen, heißt es in der Branche. In England dagegen, wo es satte elf Cent für jede auf See erzeugte Kilowattstunde Strom gibt – in Deutschland sind es neun Cent – wird schon fleißig gebaut. Sina Clorius