LeserInnenbriefe
:

taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin

briefe@taz.de | www.taz.de/zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Einwanderungskonzept? Hier!

betr.: „Wer hat ein realistisches Konzept?“, taz vom 6. 7. 17

Lieber Lukas Wallraff, Sie fordern ein realistisches Konzept, wie mit Flüchtlingen/Einwanderern umgegangen werden kann: „Her damit!“ Hier sind meine Gedanken dazu, die ich schon lange mit mir herumtrage:

1. Niemand darf illegal in die EU (Schengenbereich) einreisen. Wer das trotzdem macht, verliert jeden Anspruch auf Asyl oder Einwanderung.

2. Die legale Einreise erfordert entweder ein Visum aufgrund einer Vorabprüfung oder eine Vorabprüfung spätestens an der Schengengrenze. Diese Vorabprüfung klärt, ob die Person wahrscheinlich Flüchtling oder wahrscheinlich Einwanderer ist. Diese beiden Gruppen werden auf die EU-Staaten verteilt: wahrscheinliche Flüchtlinge nach einem noch zu definierenden Schlüssel (zum Beispiel analog zum Königsteiner Schlüssel), wahrscheinliche Einwanderer entsprechend den jeweiligen Einwanderungsgesetzen.

3. In Deutschland unterziehen sich die wahrscheinlichen Flüchtlinge dem deutschen Asylverfahren und die wahrscheinlichen Einwanderer der Auswahl nach dem (noch zu beschließenden) Einwanderungsgesetz.

Für diese Vorgehensweise fehlen bisher (zumindest) die Vorabprüfungsberechtigungen in den Botschaften, die Vorabprüfungskapazität und Aufenthaltsmöglichkeiten für Flüchtlinge und Einwanderer an der Schengengrenze, ein akzeptierter Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge in der EU, ein Einwanderungsgesetz in Deutschland und ein Bamf-Analogon für Einwanderer zur Anwendung des Einwanderungsgesetzes.

Das Einwanderungsgesetz kann eine Klausel enthalten, die eine Obergrenze für Einwanderung (nicht für Flüchtlinge!) festlegt. Diese könnte lauten:

200.000 Einwanderer pro Jahr minus der Anzahl der Flüchtlinge im jeweiligen Jahr. Ist diese Zahl negativ, gibt es in diesem Jahr keine Einwanderung. In der Praxis könnte jeweils die Anzahl der Flüchtlinge des Vorjahrs verwendet werden, um die Obergrenze festzustellen. THEO KRIEBEL, Weßling

Ihr habt die Toten vergessen

betr.: „Bei den Kirchen ist ein Kommen und Gehen“, taz vom 22. / 23. 7. 17

Ja, was denn nun? Haben die Kirchen heute mehr oder weniger Mitglieder als gestern? Im ersten Satz haben sie viele Mitglieder verloren, am Schluss des kleinen Artikels überwiegen die Taufen und Eintritte die Austritte. Also doch dazugewonnen? Die Lösung: Es fehlen die Zahlen für die Sterbefälle! Die werden einfach nicht zu den Austritten addiert, was doch wohl sinnvoll wäre! Die Taufen hingegen, die auch eher nichtaktive Mitgliederbewegungen sind, wie die Todesfälle, rechnet man zu den Eintritten. So ergibt sich – wie hoffnungsvoll! – ein scheinbares „Zwischen-Plus“, das allerdings bei vollständiger Statistik doch in ein deprimierendes Minus mündet. GEORG FRITZEN, Düren

Wir brauchen eine Ernst-Klee-Allee

betr.: „Unzeitgemäße Privilegien“, taz vom 20. 7. 17

Himmel, Herrgott, Sakrament – als Katholik ist man kein Nestbeschmutzer, wenn man den Dreck aufzeigt im deutschen Kirchensystem, das sich als Wirtschaftsmacht nur noch wenig unterscheidet von anderen Wirtschaftszweigen. „Moral geht auch ohne Kirche“, und Kirche ohne Moral ging und geht ja auch immer bei uns. Denken wir an Rassenhygieniker Joseph Mayer, den Moraltheologen der Caritas und die „Deutschen Christen.“ Erst jetzt stellen wir uns dem Schweigen der Kirchen, die unabhängig werden müssen vom Staat.

Wer kennt den Ausnahmejournalisten Ernst Klee, und wer kennt Marga Meusel, die Fürsorgerin, die Widerständlerin, die in völliger Vereinsamung starb in den fünfziger Jahren?

Als Erstes benennen wir mal ein paar Straßen um in Marga-Meusel-Weg und Ernst-Klee-Allee.

Und dass Humanismus was anderes ist als Humangenetik, sollte auch Unterrichtsthema im gemeinsamen Ethikunterricht sein.

MARTINA LENZEN, München

Plädoyer für die Tories?

betr.: „Zurück in die Zukunft“, taz vom 21. 7. 17

Bemerkenswert ist des Autors (britischer Hochschullehrer in Berlin) lapidare Feststellung, 50 Prozent der Briten seien Globalisierungsverlierer in der gegebenen Wirtschaftsordnung und damit Brexitbefürworter – ohne an dieser Entwicklung Anstoß zu nehmen oder gar zu fragen, wohin das führt. Ihn interessieren die Machterhaltung der Tories und deren Einfluss auf und in Europa. Er sinnt darüber nach, wie der drohende, nicht gewollte „weiche“ Brexit Labour untergeschoben werden kann, um dem Konkurrenten zu schaden. Das nennt man wohl pragmatisch. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Faszinosum Militanz

betr.: G20-Berichterstattung der taz

haben Sie, werte taz-redaktion, sich mal die mühe gemacht zu zählen, wie viele zeilen und welche bildmengen Sie in den letzten wochen dem militanten g20-widerstand mit all seinen begleiterscheinungen und wie viele Sie dem nicht militanten widerstand in all seiner fantasiefülle und seinem darstellungsreichtum gewidmet haben? kann es sein, dass auch Sie in Ihrer berichterstattung – wie fast alle medien – dem faszinosum der militanz erlegen sind? EBERHARD B. PLUEMPE, Bremen