american pie
: Nomaden aus Not

Wie die vom Hurrikan „Katrina“ betroffenen Profimannschaften aus New Orleans ihre Saison organisieren

Noch immer sind die Schäden, die „Katrina“ in New Orleans angerichtet hat, unabsehbar. Die in der Stadt ansässigen Sportteams, die Footballer von den New Orleans Saints, die Basketball spielenden Hornets und die verschiedenen College-Teams sind gezwungen, inmitten des immer noch herrschenden Chaos ihren Spielbetrieb zu organisieren. Schon allein die Frage, wie man mit obdachlosen Jahreskarteninhabern umgeht, oder ob und wie bereits gekaufte Tickets erstattet werden, wirft angesichts der Situation im Katastrophengebiet logistische Probleme auf.

Eine gewisse Normalität kehrt immerhin bei den New Orleans Saints ein. Die feierten, nachdem sie die Saison vergangene Woche mit einem Auswärtserfolg bei den Carolina Panthers begonnen hatten, am Montag ihre Heimspielpremiere. Der allergrößte Teil des Publikums trug die Vereinsfarben des Gegners, das Blau der New York Giants. Auch hatte die Mannschaft von Jim Haslett die Umkleidekabine für Gästeteams bezogen: „Das war mein erstes Heimspiel, nach dem ich einen vierstündigen Flug nach Hause nehmen muss“, sagte der Chefcoach der Saints nach der 10:27-Niederlage, „es fühlte sich an wie ein Auswärtsspiel“. Tatsächlich war es auch ein Auswärtsspiel, hatte die National Football League (NFL) angesichts der schrecklichen Bilder aus dem Superdome, der regulären Spielstätte der Saints, verfügt, dass die Begegnung im Stadion der Giants in New Jersey stattfinden sollte. Eine Entscheidung, die Saints-Quarterback Aaron Brooks als „herablassend“ bezeichnete, auch wenn die NFL auf eigene Kosten 1.200 Flutopfer mit Bussen zum Spiel brachte. Vom vorgeblichen Gastgeber kündeten kaum mehr als ein paar Vereinswappen der Saints im Stadion. Auch das in den ganzen USA als besonders unflätig verschriene New Yorker Publikum trug seinen Teil dazu bei, dass die Saints sich nicht allzu heimisch fühlen konnten: Waren sie beim Auswärtsspiel in Carolina, stellvertretend für das „Katrina“-geschädigte New Orleans, noch begeistert empfangen worden und wertete die Nation den Sieg der Saints als ersten Hoffnungsschimmer für eine gebeutelte Region, hatten die Giants-Fans nur einen lauwarmen Begrüßungsapplaus übrig. „Meine Spieler schienen sich im Training gut auf Football konzentrieren zu können“, so Haslett anschließend, „sie haben es aber nicht ins Spiel hinüberretten können.“

„Wir haben in den letzten vier Wochen in vier verschiedenen Trainingsstätten gearbeitet, ich habe in drei verschiedenen Hotels und jetzt einem Apartment gelebt“, beschrieb Haslett das Nomadenleben der Saints. Star-Passempfänger Joe Horn sagte: „Ich will mich nicht wiederholen, und wir müssen von Woche zu Woche sehen, aber irgendwann wird dieses Leben an unseren Kräften zehren.“ Aber auch in den kommenden Wochen wird das Reisen für die vor der Saison als Mitfavorit gehandelten Saints Alltag bleiben: Kommendes Wochenende geht es wieder quer durchs Land zum Spiel bei den Minnesota Vikings. Nur drei ihrer „Heimspiele“ werden im Alamodome im texanischen San Antonio stattfinden, wo das Team eine Trainingsstätte gefunden hat. Zu den restlichen vier Heimauftritten werden sie in die Nähe der alten Heimat reisen und im Stadion der Lousiana State University in Baton Rouge spielen.

Auch dass die New Orleans Hornets zumindest für die kommende Saison der National Basketball Association (NBA) umziehen werden, steht nun fest: 35 ihrer 41 Heimspiele werden die Hornets auf jeden Fall in Oklahoma City spielen. Ob die restlichen sechs Termine in der New Orleans Arena stattfinden werden können, hängt von deren Verfassung ab. Wenn die neben dem Superdome gelegene Halle nicht rechtzeitig in bespielbarem Zustand ist, werden diese sechs Spiele ins Maravich Assembly Center von Baton Rouge verlegt.

Ob die Umzüge von Saints und Hornets nur temporär bleiben werden, wird bereits eifrig diskutiert. Man kann davon ausgehen, dass hinter den Kulissen längst versucht wird, die heimatlosen Teams zum Umzug zu bewegen. Hat sich die Lage erst einmal halbwegs normalisiert, mögen Worte wie die des ehemaligen Bürgermeisters von San Antonio, Henry Cisneros, nur mehr Lippenbekenntnisse sein: Der hatte versichert, dass seine Stadt „angesichts der nationalen Tragödie“ nicht vorhabe, ein Sportteam „zu stehlen“.

THOMAS WINKLER